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Media Art Interaction / 80er + 90er ... Daniels / Frieling / Springer Wien NewYork

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Interaction ist die groesste Luege ;-) ? ... Daniels + Frieling / pd / Feb. 2002 / wir erinnern uns

Im Zeichen globaler Vernetzung konzentrieren sich zwei Autoren / Rudolf Frieling / Dieter Daniels auf einen deutschsprachigen Raum. Ich selbst stelle hierzu nur drei schluesselbegriffliche Fragen: Kommunikation, Interaktion, Information ;-) ? Insbesondere kommen die Co-Autoren von Media Art Interaction zu Worte.

Kommunikation? Verbale Kommunikation? Visuelle Kommunikation? Man kann nicht nicht kommunizieren, sagt Watzlawick? Alles, also auch keine Antwort, ist eine Antwort, ist Kommunikation? Mit einem Computer ins Gespraech zu kommen, sollte dann eigentlich kein Problem sein? Spezielle Programmiersprachen helfen, zwischen Mensch und Maschine zu vermitteln, von umgangssprachlichen Lingoscripten bis hinunter zum Assemblercode. Im Laufe der Entwicklung sind die KI-Programme wesentlich anspruchsvoller geworden, sie verfuegen ueber linguistisches Wissen, Weltwissen und eine reale Handlungskomponente. Fuer die Rechtfertigung syntaktischer und semantischer Sprachregelungen sind mehrfach zwischengeschaltete Module notwendig, um die oftmals allzu menschlichen Simulationsansaetze erzeugen zu koennen.

„Der Benutzer tritt ueber Tastatur und Bildschirm mit dem Computer in einen Dialog. Im Computer stehen 6 Vehikel der Sprachproduktion bereit: die Programmaschine, der Identifikationsapparat, das Urteil ueber die Situation, der Reaktionsapparat, der Widerredevorrat und der Widerredebildungsapparat. Die Antworten des Computers (Text, Grafiken, Sounds) bilden sich ueber Antwortmodule und programmtechnische Hinweise und lassen den Eindruck eines intelligenten, saloppen oder unverschaemten Gespraechspartners entstehen. Falls der Dialog sich bis zum "Erregungszustand" der Maschine steigert, wird ein Milchglas in der Vitrine verschuettet.“ Peter Dittmer in: Media Art Interaction; CD

Die unfreiwillige Komik simulierter Gespraechspartner (ob Mensch oder Maschine) entsteht nicht nur durch die monadische Abgeschlossenheit der Programmwelten und die getrennten Abarbeitungen ihrer Programmzyklen, sondern auch durch die Referenzlosigkeit, die beim Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Programmen besonders deutlich wird.

Manfred Geier hat bei einem Besuch am MIT die Kopien der Programme Eliza und Racter mit SHRDLU verkoppelt. Beim Zusammenschluss der drei Universen (non-direktive Fragen, Speicherangebot und Programmzyklen, Informationen aus der Kloetzchenwelt) wird deutlich, was unter den Bedingungen, fuer die die Programme geschrieben wurden, nicht klar werden konnte. Insofern ist diese >Verwendung< der Programme, im Gegensatz zu ihrer >Anwendung<, schon auf einer "kuenstlerischen" Ebene angesiedelt. Nicht nur, weil deutlich wird, dass das >intelligenteste< Programm sozusagen sprachlos dasteht, sondern weil hier der Kern der kuenstlichen Kommunikation einsehbar wird; vgl. Geier, Manfred: Eliza - Racter - SHRDLU, in: Spuren Nr. 18, HBK Hamburg 1987, S. 33).

Interaktion? Interaktion zwischen Bildender Kunst und sogenannter Netzkunst? Geht das? Gibt es das? Macht das ueberhaupt einen Sinn? Mit Dieter Daniels als Autor bei „Media Art Interaction“ steht jemand, der sich auf beiden Feldern bewegt, fuer eine Uebersicht in bezug auf die Lager: tradierte bildende und netzgestrickte Kunst. An Hand seines Aufsatzes: „Über Interaktivität“, reiche ich die Frage, ob so ein „Zusammen“ moeglich ist, an Daniels weiter. Die sogenannten interaktivistischen Ansaetze der Netzkunst selbst, bleiben dabei aussen vor. Ich uebergebe die nachfolgenden Kapitel und zitiere den Rest:

1. Ideologie oder Technologie - Brecht oder Turing
2. Von den 60ern zu den 90ern mit John Cage und Bill Gates
3. Interaktion und Intermedia in den 60ern
3. High-Tech und Low-Culture, Interaktivität der 90er
4. Interaktion und Internet - die Situation heute

Wie steht es in dieser Situation um das Ideal einer ästhetischen Sensibilisierung welche in die Interaktion mit den Medien hineinreicht, wie es John Cages Stück "Imaginary Landscape No. 4" von 1951 für 12 Radios und 24 Ausführende beispielhaft vorführt? Sind Künstler nur die "exemplarischen Zuhörer", die uns die mediale Veränderung der Weltsicht durch einen Prozess der Auswahl und Bündelung erkennen lassen - oder hat Kunst gerade mit den neuen Technolgien wieder den Anspruch und die Möglichkeit zu einem Eingriff in die Dynamik der Entwicklung der Mediengesellschaft? Und umgekehrt: wie "resistent" wird der Kunstbegriff gegen die Mediatisierung aller Lebensbereiche bleiben?

Friedrich Kittler schreibt 1993 dazu: "Aber weil bei Chiparchitekturen, im Unterschied zu Künsten, (die) materiellen Rahmenbedingungen unmittelbar in die Endprodukte eingehen, verschwinden alle ästhetischen Optionen oder Gestaltungsräume, wie sie Maler auch innerhalb der perspektivischen Gesetzte noch genossen ... Mit diesem Wegfall aller Spielräume bleibt jedoch für Individualitäten oder gar Genies, wie die Künstlerhelden bekanntlich seit der Renaissance geheissen haben, schlechtin kein Platz. ... Von dieser Macht über das Reelle sind Künstler, wenn sie nicht selber zu Ingenieuren oder Programmierern werden, schlichtweg ausgeschlossen." Die Antwort hierauf liefert vielleicht ein Cartoon von 1994, in dem ein Hund beim Chat an der PC Tastatur lässig verkündet: "In the Internet, nobody knows that you're a dog!" Oder mit den Worten von Marcel Duchamp: "The great artist of tomorrow will go underground".

Fortsetzung folgt auf: hgb-leipzig.de/theorie/

Information? Sich in Form bringen, sich formieren? Sich in Formation mit anderen (und gegen andere) begeben? Steckt in dem Wort Information auch: sich dem Medium und / oder der Botschaft anzuverwandeln? Oder, haben wir es mit Formen, Huellen, Medien ohne Inhalte zu tun? Aber, kann man Form und Inhalt ueberhaupt noch voneinander getrennt handhaben? Ist Information eine Pose, die Einnahme eines ideologischen Standpunktes? Oder kann man diese Form in Bewegung bringen, als ein topologisches Gleiten?

Information ist das, was in Bewegung ist, auf der Durchreise mit unbestimmtem Ziel; es erhaelt kurzfristig Bedeutung, wenn jemand eingreifen kann, indem er versucht, die Informationen fuer sich zu verwerten, indem er sie umbaut, etwas hinzufuegt, etwas herausnimmt, um sie wieder auf die Reise zu schicken.“ Knowbotic Research in: Media Art Interaction; S.221

Ich halte dieses Statement fuer eine auesserst glueckliche Beschreibung der Vermittlungsaufgabe, denen sich Knowbotic Research unter anderem verschrieben haben. Aus dem Konzept des „Studienbereiches Neue Medien“ der Hochschule fuer Gestaltung und Kunst Zuerich, steht unter dem Stichwort Forschung und gegen den ueblichen multimedialen Ansatz der Designerausbildungen gerichtet:

Neben dem forschenden Lernen als Grundform der Ausbildung betreibt der Studienbereich Neue Medien Grundlagenforschung (Ästhetik, Theorie und Technologie der Neuen Medien) und angewandte Forschung (ästhetische, theoretische und medientechnologische Schlüsselqualifikationen der digitalen, mediengestalterischen und künstlerischen Kompetenz im Hinblick auf ihre Anwendung in Wirtschaft, Institutionen, Ausbildung). hgkz.ch/neue-medien/konzept

Ich nehme das Statement „eingreifen, verwerten, umbauen, hinzufuegen, herausnehmen und wieder auf die Reise schicken“ einmal ernst: aus dem Angebot der dem Buch beiliegenden CD verwerte ich die fuselig aufbereiteten in selbstgebastelten Scrollkaestchen verschachtelten Texte zu Kunst und Kuenstlern, um sie wenigstens einmal im html-Code sauber durchlaufen lassen zu koennen. Eine andere spielerische Version schicke ich parallel dazu auf die Reise: unter scrollheim.de

Medien Kunst Aktion / Media Art Action +
Medien Kunst Interaktion / Media Art Interaction
von Rudolf Frieling und Dieter Daniels
1997. 251 Seiten. 30 Abbildungen. Mit CD-ROM
2000. 293 Seiten. Zahlreiche Abbildungen. Mit CD-ROM
Text: deutsch/englisch EUR 78,00 beide Bände
ISBN 3-211-83438-9 springer.at

art club berlin
art forum berlin

art club berlin ist ein Ausstellungsmodell, das auf der Idee einer Ausstellung als kommunikativem Ort basiert und als travel club, als Club ohne festen Ort und ohne dauerhafte Praesentation, operiert. Information, Kommunikation und Entspannung sind Serviceleistungen; das interdisziplinaere Ineinandergreifen von Theorie und Kunst ist programmatisch. Feste Bestandteile sind - in wechselnden Konstellationen - eine Videothek mit aktuellen Arbeiten internationaler VideokuenstlerInnen, Musik von DJs, Talkshows, Publikationen und neue Magazine von KuenstlerInnen.

Friederike Anders
Das Gedaechtnis der Frau in Weiss

Eine Datenbank zur Methode des Wahnsinns einer Attentaeterin mit klickbarem Fotoroman und Stichwortsuchmaschine fuer das WWW. Es geht um eine Chimaere von zweifelhaftem Charakter, doch mit einigen gleichbleibenden Zuegen: Sie traegt immer Weiss und erscheint auffallend haeufig als Opfer. Ihre durch Gedaechtnisverlust verfluechtigte Identitaet gilt es, aus den Spuren ihres Hotelzimmers sowie der Datenbank zu rekonstruieren - oder neu zu bauen. Ein thesaurushafter Identitaetsfundus von Frauen in Weiss aus Kino, TV und Presse laedt zur vergleichenden Paranoiaforschung nach dem Prinzip der Mustererkennung.

Frank Riepe Michael Falkenstein
ArtWarPeace Sculpture Plan

Das Projekt "Endschutzsender fuer Luzern", das die Gruppe ArtWarPeace Sculpture Plan (AWP) seit 1995 kontinuierlich weiterentwickelt, untersucht die imaginaere Genese urbaner Raeume anhand von kollektiven Phantasien und Projektionen, die in diesen Raeumen entstehen und diese strukturieren. In der 48-stuendigen Real-space-Extension "Retinal Reflect" untersuchten mit Laptop, Handy und Kamera ausgestattete Mitglieder von AWP den Stadtraum von Luzern und speisten diese Beobachtungen ins Internet ein. Ueber ein spezielles Online-Display hatten Nutzer via Internet die Moeglichkeit, durch (anonyme) Eingriffe in den Textfluss die vermeintliche Sicherheit der Berichte aus dem Stadtraum aufzuloesen: "Globaler Beobachtung ausgesetzt, verschwinden die Grenzen des Lokalen." In Luzern sind durch lokale Einspeisung und Eingriffe aus dem Netz ca. 80 Seiten Text und ca. 150 Bilder entstanden.

Joachim Sauter Dirk Luesebrink
Art + Com

Fuer die interaktive Installation "Der Zerseher" wurde ein spezifisches Interface verwendet, der sogenannte "eyetracker". Auf einem "gerahmten" Bildschirm (1) erscheint das Gemaelde. Neben dem Bildschirm befindet sich der "eyetracker" (Kamera (2) und PC (3)). Die Kamera nimmt die Augen des Betrachters auf; diese Bilder werden an den PC geschickt, der sie digitalisiert. Der PC analysiert das Videosignal und lokalisiert die Reflektion einer Infrarotlichtquelle in den Augen des Betrachters. Mittels dieser Reflektion berechnet der Computer exakt die Stelle des Bildes, auf die der Betrachter schaut. Parallel dazu werden diese Koordinaten auf dem Bild von einem weiteren Computer (4) verzerrt. Das bedeutet, sobald der Blick eines Betrachter auf das Bild faellt, wird es an eben dieser Stelle verzerrt. Schaut niemand das Bild an, so erscheint nach 30 Sekunden wieder das "Original", also die urspruengliche Fassung des Gemaeldes.

Marina Abramovic
The Biography

Nach der Trennung von Ulay stellt dieser Soloabend einen Akt der Erinnerung dar. "The Biography" bringt die theatralische Form der bildenden Kunst in Gestalt und am Koerper von Marina Abramovic auf die Buehne. Die Kuenstlerin laesst ihr Leben Revue passieren und spricht in ihrem Text von Augenblicken, Gedanken und Gefuehlen, von der Geburt 1946 bis zum Moment der Auffuehrung 1993, der Zeit des Aufenthalts als DAAD-Stipendiatin in Berlin. Die chronologische Abfolge ihres Lebens - 1972 "Start using body as material", 1975 "Meeting Ulay. Strong attraction" u.a. - wird unterbrochen von Partien, in denen sie die Augenblicke und Performances aus ihrer Kuenstlerbiografie re-inszeniert und visualisiert.

Volker Anding
Mysthouven

Eine kritische, aber oft auch humorvolle bis sarkastische Verarbeitung von Fernsehstandards und Genres ist charakteristisch fuer viele Videoarbeiten der 80er Jahre. Volker Andings 4 ironische Werbespots zur Veraenderung der Welt fuehren dies noch einmal in praegnanter Form vor:
quot;Magic Book - Zur Rettung des Waldes", "Pandora - Das Parfuem fuer uebermorgen" - "Green Flat - Fuer alle Computeristen", doch stellvertretend fuer die Fernsehpersiflage steht hier die "Mysthouven Philosophie", die bereits 1990 einen glattpolierten Blick auf die Abgruende unserer Corporate-Identity-Welt formulierte.

Heiner Blum
Augentauschen

Bei den insgesamt 322 verschiedenen Dias handelt es sich in der Hauptsache um Frontalansichten menschlicher Gesichter, der Bildausschnitt ist kreisfoermig und umfasst den engeren Gesichtskreis mit Augen, Nase und Mund. Ergaenzend erscheinen Aufnahmen von Haenden, Augen, Muendern, Menschenmassen, Uhren, Detonationen, Zahlen, Wasser und Landschaften, die den Fluss der Gesichter immer wieder unterbrechen. (...) Die Ansicht der Wand zeigt nebeneinander zwei grosse projizierte Kreise, die an Augen erinnern. Die Bilder der projizierten Gesichter befinden sich in staendiger Bewegung. In einem permanenten Ein- und Ausblendrhythmus gehen sie ineinander ueber.

Joachim Blank Karlheinz Jeron
Dump Your Trash!

bietet der Kundschaft das Recycling ihrer Homepages an. Wer seine Web-Adresse in ein Formular eingibt, erhaelt einen elektronischen Abholschein. Unter der darin angegebenen Kennung ist auf dem sero-Server ein verfaelschtes Abbild der Homepage zu finden, als seien deren Bestandteile in einen dunkelgrauen und poroesen Sandstein gehauen. Bei Auftragserteilung werden nach diesen Vorlagen massive, von einem Steinmetz in Marmor oder Granit gehauene Epitaphplatten hergestellt.

Michael Brynntrup
Die Statik der Eselsbruecken

In Form einer fiktiven, biografischen Selbstdarstellung untersucht Michael Brynntrup psychologische und aeusserliche Merkmale von Michael Brynntrup. Eine Abfolge von kurzen Szenen mit Zwischentiteln unter Zuhilfenahme von Requisiten und Utensilien aus seiner Privatwohnung arrangiert er als eine experimentelle Versuchsanordnung, in der er seine Identitaet im direkten Dialog mit der Kamera analysiert. Dabei stellt er selbstironisch Thesen und Hypothesen ueber die eigene Entwicklung auf. Unter anderem geht er der Ursache eines Muttermals und der Frage nach, ob praenataler Stress eine Ursache fuer maennliche Homosexualitaet sein koennte, wie eine von ihm zitierte Untersuchung behauptet.

Thomas Bayrle
(b)alt

Das von Thomas Bayrle schon seit den 60er Jahren verfolgte Konzept der Generierung von "Superstrukturen" aus inandergeschachtelten Bildmustern wird von ihm zunaechst fuer Zeichnungen, Fotokopie-Montagen oder Filmanimationen in muehseliger Handarbeit umgesetzt. Durch Computerprogramme ist eine ebensolche Bildbearbeitung nun mehr oder weniger automatisch umsetzbar. In dem computeranimierten Video "(b)alt" trifft Thomas Bayrle auf seinen Enkel und mittels der sich wechselseitig ueberformenden Bildmuster wird die menschliche Generationsabfolge ebenso sinnlich wie metaphorisch zum Thema.

Claus Blume
Kniespiel III

"Kniespiel", eine Begegnung von Videomontage und Minimalmusik, ist eine visuelle Musikkomposition oder eine auditive Bildcollage. Minimalmusik trifft auf Tradition. Der Tanz einer Schuhplattlergruppe wird in seine Einzelteile zerlegt und nach Prinzipien der Videomontage und der Minimalmusik neu zusammengesetzt. Zunaechst wird die Takt- oder Komplexlaenge vorgestellt. Wie im Ton erscheint auch das Bild nur als kurzer Ausschnitt der Wirklichkeit. Die Takte werden mit Bildschlaegen gefuellt, bis ein Bildrhythmus entsteht. Neue Bildschlaege beginnen die Gewichtung der Rhythmen zu verschieben. Die Bildschlaege gehen wechselnde Beziehungen zueinander ein, bis die Montage zu Bildclustern tendiert und der Tanz mit dem originalen Schlusston endet.

Samuel Beckett
Quadrat I + II

Dieses 1980 unter dem Titel "Square" geschriebene erste der minimalistischen, experimentellen Fernsehstuecke, die Beckett in den 80er Jahren fuer den Sueddeutschen Rundfunk realisierte, operiert mit dem seriellen Spiel eines Bewegungsmusters von vier Akteuren, das auch vier Soli, sechs Duos und vier Trios ermoeglicht. Mit farbigen Kapuzen gleichzeitig kenntlich wie unkenntlich gemacht, vollziehen sie ein unerbittliches Closed-circuit-Drama: Einmal in das Quadrat eingetreten, sind sie dazu verdammt, die jeweils 6 Schritte der Laengs- und Diagonallinien des Quadrats monoton und synchron abzulaufen, begleitet zum Teil von verschiedenen Schlagzeugrhythmen. Die mathematische Praezision und Choreografie wird ermoeglicht durch exaktes Timing. Die Variation der Choreografie ist beschraenkt auf die Anzahl der Akteure und die dadurch wechselnden Farbkonstellationen. Die mit einem Punkt markierte Mitte des Quadrats wird immer links umgangen. Die Fuesse hinterlassen im Laufe der Produktion vage Spuren auf den Diagonalen des weissen Quadrats. Im Kontext seiner letzten Fernsehstuecke ist "Quadrat" (hier Version I) bei aller Reduktion das dramatischste. Beckett hat noch eine Schwarzweiss-Variante (Version II) mit vier gleichen weissgekleideten Figuren zum Takt eines Metronoms gedreht.

Egon Bunne
Alles wandelt sich

Unter Verwendung des Gedichts von Bertolt Brecht "Alles wandelt sich" visualisiert Egon Bunne eine sehr persoenliche Sicht auf Kontinuitaeten wie auch Konfrontationen zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem Deutschland der Wendezeit 1989. Text im Bild und aus dem Off (Wolfgang Neuss), Archiv- und Dokumentarmaterial u.a. vom Fall der Mauer collagieren das Band zu einem dichten Kaleidoskop deutscher Identitaet zwischen dem Prolog: "Wie es ist, bleibt es nicht." (Brecht) und dem Epilog: "Wie es bleibt, ist es nicht". (Heiner Mueller) Das Band ist charakteristisch fuer das dezidiert videografische Werk Egon Bunnes, der neben seiner eigenen kuenstlerischen Arbeit auch seit den fruehen 80er Jahren von Infermental bis zu dem TV-Magazin VAMP als Produzent und Editor wirkt.

Gábor Bódy
Narziss und Psyche

Die Auseinandersetzung mit philosophischen wie mythischen Themen - siehe die formal experimentelle Filmerzaehlung "Narziss und Psyche" - war eines der zentralen Motive im Werk von Gábor Bódy. In "de occulta philosophia" ist die auf die Renaissance und Leonardo da Vinci anspielende Visualisierung eines Geheimwissens um die Natur des Menschen, eben das gleichnamige Traktat von Agrippa, in eine abstrahierende Geometrie umgesetzt. Der Einsatz von Laserstrahlen strukturiert den zeitlichen Ablauf des Bandes, das aus einer Zusammenarbeit mit Llurex (Egon Bunne) an der Deutschen Film und Fernsehakademie Berlin hervorgegangen ist.

Joseph Beuys
Sonne statt Reagan

Im Rahmen seines politischen Engagements versucht sich Beuys auch als Pop-Saenger. Sein Song "Sonne statt Reagan" wendet sich gegen die Aufruestungspolitik von Ronald Reagan. Der Song erscheint als Schallplatte und Beuys tritt damit vor grossem Publikum waehrend der Demo-Kundgebungen der Friedensbewegung ebenso wie zusammen mit der Band Die Desserteure in der Fernsehsendung der ARD "Bananas" am 3.7.1982 auf.

Klaus vom Bruch
Coventry War Requiem

Zwei Portraits auf Video sind Ausgangspunkt des "Coventry War Requiems", einer Installation, die Klaus vom Bruch erstmals bei der documenta 8 in Kassel vorstellte. Gezeigt werden Klaus vom Bruch selbst und sein Vater beim Hoeren des "War Requiems" von Benjamin Britten, das die Verwuestung Coventrys durch deutsche Bomben beklagt. Die zeitweise auch im Raum zu hoerende Musik verbindet als Grundlage fuer die sichtbaren Reaktionen beide Akteure und verklammert historische Ereignisse mit einer persoenlichen Genealogie des Kuenstlers. Die Gesichter sind vor dunklem Hintergrund aufgenommen und werden getrennt auf zwei Monitoren vorgefuehrt, die auf hohen, periskopartig sich verjuengenden Eisenstelen unter die Decke des Ausstellungsraumes geklemmt wurden. Die massiven Rohre sind in leichter Schraeglage angebracht und zielen so optisch auch auf die Statik des Raumes. In spaeteren Versionen liegen sie direkt auf dem Boden.

Ludger Bruemmer Silke Braemer
Die audiovisuelle Komposition "Lizard Point" basiert auf der

Vergleichbarkeit musikalischer, choreografischer und filmischer Parameter (Musik: Ludger Bruemmer, Bilder: Silke Braemer, Choreografie: Claudia Lichtblau): Durch eine gezielte Gegenueberstellung von choreografischen Ausdrucksformen mit digital erzeugten Bewegungs- und Klangelementen entstehen Wahrnehmungsbereiche, die zum Teil durch Aehnlichkeiten und Uebereinstimmung, zum Teil durch Spannung gekennzeichnet sind. Die besondere Bewegungscharakteristik der ausschliesslich angewendeten physikalischen Modelle aeussert sich sowohl in akustischen als auch in visuellen Bewegungsablaeufen. Durch ihre physikalisch basierte Systematik wecken sie Assoziationen zu natuerlichen Bewegungsphaenomenen und entwickeln so, trotz ihrer abstrakten Genealogie, einen konkreten Assoziationsraum.

Michael Bielicky
Der Name

Die Arbeit geht von der Beobachtung aus, dass Information sich in Form einer Spirale manifestiert. Der genetische Code wird in der Doppel-Helix gespeichert. Unser Sonnensystem bewegt sich spiralfoermig durch den Raum; Computerdisketten speichern Information spiralfoermig. "Das Licht - ein Name - ein Code - die Information kommt aus dem Dunkeln (von 'Irgendwo') und wird erst sichtbar durch die verschiedenen Medien" (Bielicky). Die Installation besteht aus einer Metallspirale (250 x 400 cm) mit 7 kleinen Schwarzweissmonitoren. Man kann durch die Spirale wie durch einen Tunnel laufen. Am Ende des "Tunnels" liegt eine schwarze Kugel (das "Irgendwo"), die mit einem Mini-TV-Sender ausgestattet ist. Dieser uebertraegt die Information - in Form einer Flamme - zur Spirale und den Empfaengern.

Heike Baranowsky
Drei Zustaende

In dieser anlaesslich des "Rundgangs" der Hochschule der Kuenste Berlin 1993 entwickelten Installation projizierte Heike Baranowsky Aufnahmen von irrealen bzw. nicht-existenten Raeumen auf einen speziell bearbeiteten Untergrund. Die Dias entstanden, indem die Kuenstlerin in selbstgebaute, ca. 40 x 40 x 70 cm grosse Architekturmodelle aus Holz und Pappe hineinfotografierte. In der Diaprojektion werden die Bilder der Innenraeume auf Lebensgroesse gezogen, also menschlichem Massstab angepasst. Projiziert wurden die drei "Innenraeume" auf drei ca. 1 cm dick mit Gips verputzte, jedoch unterschiedlich bearbeitete Wandflaechen. Durch die plastische Bearbeitung der Projektionsflaechen entstand der Eindruck eines plastischen, dreidimensionalen Raumes.

Stefan Beck Oliver Augst
Live-Radiosendung

Seit 1992 haben Oliver Augst und Stefan Beck gemeinsam Radiosendungen gemacht, die zuerst noch mit umfangreicherem Instrumentarium arbeiten (Live-Electronic, Tapes, CDs, Drum-Computers, Keyboards), sich dann aber immer mehr auf eine reine Sprech-Improvisation reduzieren. Seit 1995 wird ihr "Sprechradio" in Dresden, Hamburg, Frankfurt und Zuerich meist live gesendet, zum Teil ausserdem auf Festivals vor Publikum aufgefuehrt. Die hier gezeigte Ausstrahlung vom 25.4.1996 lief im ORF Kunstradio, seit 1987 einer der festen Programmplaetze fuer experimentelle, kuenstlerische Sendungen. Auf der Grundlage von Texten, teils mit elektronischer Live-Verzerrung der Stimme, reagieren die beiden Akteure aufeinander wie in einer Jam-Session und reden sich so immer weiter in Extase.

Thomas Bayrle Stefan Seibert
Autobahn-Kopf

- Aufnahmen von einem Stueck Autobahn, mit einer 35mm-Filmkamera
- Sequenzen herausgesucht und davon eine Schleife gebildet
- jedes zweite Bild auf Fotopapier kontaktet
- von den Fotos 89 Klischees angefertigt
- Klischees auf Latexgummi gedruckt
- mit einer Filmkamera einen schwarzgefaerbten, mit weissen Linien beklebten Kopf aufgenommen
- drei Stuecke heraus gesucht, die zusammen einen fluessigen Ablauf ergeben
- auf Fotopapier vergroessert und jedes zweite Bild durchgezeichnet
- die Zeichnungen auf dem Kopierer in 4 verschiedene Groessen vergroessert
- aus den Vergroesserungen der Zeichnungen die zum Gummidruck passenden Innenflaechen auf Transparentfolie herausgezeichnet
- in die Innenflaechen auf dem Kopierer die Latexbilder fortlaufend einkopiert
- die gezogenen Bilder ausgeschnitten und in die Collagen eingeklebt
- jede Collage dreimal auf 16mm-Film aufgenommen
- 490 Grafiken = 1470 Filmkader ca. 1 min
- das Gesamte wiederum als Schleife zusammengestellt

Botschaft e.V.
Dromomania

Vom 19.-25.11.1990 wurde der akut vom Abriss bedrohte ehemalige Hauptsitz der Wuerttembergischen Metallwaren Fabrik (WMF) in Berlin-Mitte gedanklicher Ausgangspunkt und Veranstaltungsort von "Dromomania - Kult und Ritual der taeglichen Fortbewegung. Ein Experiment um Verkehr und Stadtplanung", dem ersten Projekt von Botschaft e.V. Eine aus ca. 13 Leuten bestehende Projektgruppe besetzte die 4. Etage des an der Ecke Leipziger/Mauerstr. gelegenen Hauses, setzte Arbeits- und Veranstaltungsraeume instand und initiierte ein Projekt an den Schnittstellen von Architektur, Stadtplanung, Kunst und Buergerbeteiligung. Kuenstlerische wurden mit politischen Fragestellungen verbunden, mit der Situation im WMF-Haus und den Bauvorhaben am nahegelegenen Potsdamer Platz. Die Aktivitaeten im Inneren des Gebaeudes (Diskussionen, Film- und Diavorfuehrungen, Performances, Konzerte, Partys) wurden durch verschiedene Aktionen, teilweise simultan, mittels mobiler grossformatiger Farbtafeln auf die Fassade des Hauses und mittels "Stauservice" und "Spaziergaengen zur rushhour" auf die Strasse uebertragen. Als Ergebnis von "Dromomania" wurde das WMF-Haus zwei Monate spaeter unter Denkmalschutz gestellt.

Egon Bunne
video art magazin productions

Die politischen Gremien Deutschlands sorgen seit der Einfuehrung des privaten Kabelfernsehens fuer eine Reihe von nicht-kommerziellen "Fenstern", die regelmaessig eine andere Art von Fernsehen ermoeglicht. Alexander Kluge ist hier das beruehmteste Beispiel. Ein weiteres ist das von Egon Bunne initiierte und in unregelmaessiger Folge produzierte TV-Magazin zur Videokunst "VAMP", das sich 1991 im privaten Berliner Kabelsender FAB (Fernsehen aus Berlin) etablieren konnte, der als Produzentenfernsehen alternativen Sichtweisen eine Nische bietet. Das Low-Budget-Magazin wird im wesentlichen vom Produzenten und Mitgesellschafter allein gestaltet, unterstuetzt von der Kunsthochschule fuer Medien Koeln und im Auftrag des Berliner Vereins fuer VideoKunst und Multimedia. Zur 5-jaehrigen Jubilaeumssendung 1996 mit einem Remix aus in der Vergangenheit gesendeten Videoproduktionen hat der Filmemacher Wilhelm Hein ein Statement abgegeben. In seiner persoenlichen Machart, der Kontinuitaet von ca. 80 Sendungen bis 1999 und dem kompromisslosen Einsatz fuer die Videokunst ist dies Magazin einzigartig in der deutschen Fernsehlandschaft.

Frieder Butzmann Thomas Kapielski
Die Rolle der Frau

In den 80er Jahren praesentierten wir uns in sprachorientierten Zwei-Mann-Shows dem Publikum. Der musikalische Anteil dieser Abende basierte auf dem Kontrast zwischen bruitistischen Toncollagen, aufspielenden Streichquartetten, dem Einsatz von riesigen, tosenden Windmaschinen und gesprochenen Worten und Saetzen, die die Musiken, Musikzitate oder Genrezitate einleiteten, kommentierten, karikierten oder interpretierten. Die Texte wurden live gesprochen, gesungen, gebruellt, mit Dia- und Filmprojektionen unterstrichen. Hinzu kamen dem Musiktheater verwandte, akustisch eindrucksvolle kurze "Szenen": Ein sirenenartiger hoher Ton kuendigt das Kippen eines Schrankes an, kontemplativ wirkt das Blubbern einer Kaffeemaschine, ein grosser Knall laesst die Luftmatratze platzen. Es ging uns dabei stets formal um den schnellen Wechsel von Sprache und Musik. "Die Rolle der Frau" besteht aus beschreibenden, comichaft zitierenden bis zotigen Versatzstuecken aus der Welt der Frauen (bzw. aus dem, was ihr zugeschrieben wird). Die Toene verstaerkten oder kommentierten den Text gestisch. Zwischen Kueche, Kindererziehung, Werbeaesthetik, Sekretaerinnenromantik, Boutiquenschick, Feminismus und Puderquaste.

Carlfriedrich Claus
Aurora Experimentalraum

Die Sprachblatt-Produktion und die Herstellung von Lautprozessen, das lief parallel. Zu den Sprachblaettern kam es durch den experimentellen Gebrauch der linken Hand - ich bin an sich Rechtshaender -, und ich merkte dabei erstens, dass innere Stauungen eintraten - etwa wie ein psychisches Stottern auf der einen Seite - und auf der anderen Seite wurde der Denkinhalt dadurch anders gefaerbt. (...) Diese Lautprozesse oder Sprechoperationen sind kein Sprechen im Sinne der Phonologie, wo jedem Sprechakt ein bestimmtes Geruest einer bestimmten natuerlichen Sprache vorabgehen muss. Hier geht es gerade darum, dieses Geruest zu durchbrechen, aus ihm herauszubrechen, beispielsweise aus dem Gefaengnis der natuerlichen Sprache, die auch unser Weltverhaeltnis bis zu einem grossen Grade bestimmt. (...) Im Grunde ist das "Lautaggregat" ja auch ein Vorschlag an den Hoerer, mit seinen eigenen Sprechorganen zu experimentieren und zu versuchen, wie unterschiedliche Laute auf die psychische Befindlichkeit zurueckwirken, wenn man sie bewusst artikuliert.

Ernst Caramelle
o. T.

In eine Wand sind zwei kleine Fernsehbildschirme eingelassen. Beide zeigen das gleiche Programm in Schwarzweiss, darunter einen Wulst aus Plastilin auf der Wand. Zusammen formen diese Teile ein Gesicht. Die Schnitte des TV-Programms lassen die zwei Augen scheinbar lebendig werden, sie erhalten einen bewegten Blick, die Physiognomie des Gesichts aendert sich je nach TV-Bild. "Etwas das man normalerweise anschaut, schaut einen nun an", sagt Ernst Caramelle dazu.

Gerd Conradt
Der Videopionier / Sechs Geschichten zur Stadtteilsanierung

mobiler Chronist der Kaempfe um die Stadtteilsanierung
"Der Dornenauszieher"
2. Herr Hoehne aus dem Zille-Kietz
3. Gerd Conradt als "Traeumer in der Kamera"
4. Prof. H.-W. Haemer im Buero der "Neuen Heimat"
5. H.-W. Haemer: Der Planer sieht die Dinge aus der Vogelperspektive
6. -
7. Demonstrationsueberwachung durch Polizeifotografen 1.5.1980
8. Achim Smit, Abgeordneter der Alternativen Liste im Rathaus Charlottenburg
9. "Vaterpolitik" ins Rathaus
10.-

John Cage
Europeras 1 & 2

In Europeras 1 & 2 sind, wie in richtigen Opern, Buehne und Orchester getrennt. "Alles ist getrennt, ueberhaupt alles von allem. Die Szene ist ja nicht so angelegt, dass die verschiedenen theatralischen Elemente einander stuetzen oder tragen oder sich auch nur aufeinander beziehen, sondern jedes hat seinen eigenen Status, seine voellig unabhaengigen Zustaende von Aktivitaet. Die Beleuchtung ist von der Handlung unabhaengig, die Kostueme von dem, was gesungen wird. Es ist ein Experiment, dessen Ausgang nicht vorhersehbar ist, bevor es stattfindet." (John Cage)

Chaos Computer Club e.V
Chaos Communication Congress

Bekannt wurde der CCC als Sprachrohr der Hackerszene, die in mehr oder weniger spektakulaeren Aktionen EDV-Systeme in den Bereichen Datensicherheit und Datenschutz auf ihre Integritaet pruefte. Der CCC beschaeftigt sich mit den Auswirkungen von Technologie auf die Gesellschaft sowie das einzelne Lebewesen. Er setzt sich fuer ein Menschenrecht auf weltweite, ungehinderte Kommunikation ein. Dies schliesst technische Forschung, Entwicklung von entsprechenden technischen Hilfsmitteln und die Diskussion entsprechender technischer Sachgebiete sowie oeffentliche Demonstrationen mit ein. Der CCC versteht sich als ein Forum der Hackerszene, eine Instanz zwischen Hackern, Systembetreibern und der Oeffentlichkeit. Zunehmend ist diese Aufgabe in Teilbereichen (Netz-Zensur, Krypto-Regulierung) die einer Interessensvertretung, die versucht, durch Wissen Einfluss zu nehmen.

Micz Flor Florian Clauss Stefan Schreck Martin Conrads Ulrich Gutmair Silvan Linden
convex tv. link/radikal [on line]

convex tv. entwickelte das Internetprojekt "link/radikal" anlaesslich des Literaturwettbewerbs Pegasus im Internet 1998 als Reaktion auf die restriktive Rechtsauffassung des Mitveranstalters ARD-Online, nach der Betreiber einer Website fuer alle Links, die sich auf ihrer Website befinden, strafrechtlich verantwortlich gemacht werden koennen. Das Projekt "link/radikal" fuehrt diese Haltung ad absurdum, indem es zeigt, wie schnell und mit wie wenigen Links man von ARD-Online zu einer Seite gelangen kann, die "radikalen" Content beinhaltet. Ueber die "link/radikal"-Eingangsseite gelangt man zu einer Seite, die das ARD-Statement sowie uebereinandergelegte Quellentexte enthaelt. Durch Anklicken essentieller Begriffe der Presseerklaerung kann man nun "virtuell" durch die verlinkten Sites von ARD, Fritz-Radio, mikro e.V. und convex tv. surfen; die mit den Begriffen verknuepften Quellentexte verschwinden nach und nach von der Seite. Zum Schluss bleibt ein Ausschnitt aus dem "Pixelporno" uebrig, ein Projekt von convex tv., das mit Porno im Netz spielt (und somit eine erste Art der von der ARD gemeinten Radikalitaet bezeichnet). Von hier aus beginnt ein neuer Parcours, sozusagen die "zweite Runde Radikalitaet", die nochmal ueber Pegasus-Homepage und ARD, dann zum "trend"-Magazin (partisan.net) und schliesslich direkt zum Verfassungsschutz fuehrt.

Florian Clauss Micz Flor
Cyber Tattoo

"Cyber Tattoo" ist ein digitales Taetowierstudio im Internet - es bietet Bauplaene, Wissen und Support an. Der Nutzer kann die Maschinenteile im Fachhandel besorgen und eine eigene Taetowiermaschine ("Parlour Maid") zusammenbauen. Diese wird auf ein beliebiges Koerperteil geschnallt, an den Rechner angeschlossen und sobald man sich per Modem ins Netz eingewaehlt hat, kann das gewuenschte Motiv per Datentransfer direkt in die Haut taetowiert werden. Zur Auswahl steht u.a. das Logo des Web-Browsers Netscape Navigator, das sich alsbald als Seefahrermotiv entpuppt. "Cyber Tattoo" fungiert als digitaler Hafen, in welchem sich die Internetreisenden die im Netz gefundenen Zeichen, Symbole, Metaphern als Souvenirs auf dem eigenen Koerper verewigen lassen koennen. "Cyber Tattoo" gewann den ersten Preis beim Wettbewerb "Extension" der Hamburger Kunsthalle 1997.

Peter Dittmer
Schalten und Walten [Die Amme Die Amme2]

Der Benutzer tritt ueber Tastatur und Bildschirm mit dem Computer in einen Dialog. Im Computer stehen 6 Vehikel der Sprachproduktion bereit: die Programmaschine, der Identifikationsapparat, das Urteil ueber die Situation, der Reaktionsapparat, der Widerredevorrat und der Widerredebildungsapparat. Die Antworten des Computers (Text, Grafiken, Sounds) bilden sich ueber Antwortmodule und programmtechnische Hinweise und lassen den Eindruck eines intelligenten, saloppen oder unverschaemten Gespraechspartners entstehen. Falls der Dialog sich bis zum "Erregungszustand" der Maschine steigert, wird ein Milchglas in der Vitrine verschuettet. Die Gespraechskompetenz der "Amme" wird seit 1992 - unter Verwendung von protokollierten Gespraechsverlaeufen - kontinuierlich erweitert. Mittlerweile verfuegt das Programm ueber ca. 120. Antwortmodule sowie mehr als 16. Variablen der Identifizierung.

Martin Dammann
Ich hab' mal einen Film mit Paul Newman gesehen

Ich entwickle Darstellungsformen, in denen Bilder losgeloest von ihrem Referenten wahrgenommen werden koennen. Ich versuche meistens, in keiner Weise manipulativ in die Bilder selbst einzugreifen, sondern nur mit der Organisation ihrer Darstellung zu arbeiten. Was dann sichtbar wird, entwickelt, wenn es vorsichtig und unvoreingenommen betrachtet wird, eine eigene Logik und eine Aussagekraft, die von etwas voellig anderem spricht als dem Abzubildenden. Bei diesem Band handelt es sich um die Rekonstruktion von Kamerabewegungen. Die Einzelbilder von Filmsequenzen einer Kamerafahrt werden digitalisiert, verkleinert und in einem Animationsprogramm so zusammengesetzt, dass auf dem Bildschirm die Einzelbilder gemaess der Bewegung der Kamera zueinander verschoben erscheinen. Die Teile jedes Bildes, die nicht von dem naechsten Bild (das leicht verschoben auf dem Bildschirm erscheint) ueberlagert werden, bleiben sichtbar, der Rest wird von dem folgenden Bild ueberschrieben. Man sieht einen Film, der ablaeuft und gleichzeitig erstarrt; ein Hybrid aus statischem und bewegtem Bild.

Durs Gruenbein Via Lewandowsky
Des Kuenstlers Hirn

Im Tausch gegen die Praeparation seines Gehirns vermacht Via Lewandowsky seinen Koerper der Wissenschaft. Diese Willenserklaerung des Kuenstlers steht unter der als Leuchtkasten praesentierten medizinischen Illustration eines Kopfes. Das Hirn soll posthum in einem mannshohen Edelstahlzylinder mit Glassturz ausgestellt werden. Im oberen Drittel des Metallzylinders ist ein Glasring eingelassen, auf dem in blauer Leuchtschrift ein Gedicht des Dichters Durs Gruenbein kreist. Derzeit ist der Platz ueber dem Zylinder leer - dort fliesst stattdessen per Videoprojektion Wasser in den Abfluss eines Praeparationstisches. Es geht um die ambivalente Stellung des Gehirns zwischen anonymem Praeparat und persoenlichem Erinnerungsspeicher. Gruenbein und Lewandowsky arbeiteten bereits Ende der 80er Jahre anlaesslich der Aktionen der Autoperforationsartisten in Dresden zusammen.

Hans-Christian Dany, Stephan Dillemuth und Josef Zehrer
Unser Fernsehsender (UTV) Nimm Dir das Fernsehen.

Auf Grund der These, die Industrie habe mittlerweile die Forderungen der Linken (Bert Brecht, Hans Magnus Enzensberger), das Publikum zum Produzenten zu machen, fuer ihre Ziele instrumentalisiert, wird eine neue Form des Low-Tech-Fernsehens von allen fuer alle vorgeschlagen. Dabei besteht zwar eine gewisse Naehe zu den "Medien fuer den Buerger"-Ansaetzen der 60er/70er Jahre, doch geschieht dies im Bewusstsein, dass deren Resultat, wie etwa der "Offene Kanal", gescheitert sind. Nun soll, statt eine kommerzfreie Zone zu schaffen, gerade ueber die Billig-Werbung fuer jedermann nach dem Prinzip eines Anzeigenblatts ein Low-Budget-TV-Betrieb finanziert werden. Zwar wurden 1996/97 erste Verhandlungen mit der Landesmedienanstalt in Nordrhein-Westfalen ueber eine moegliche Realisierung gefuehrt, doch bisher gibt es nur mehr oder weniger symbolische UTV-Studios im Kunstkontext. Den Rahmen dazu lieferte 1997-98 eine Wander-ausstellung des Wiener Kuenstlers Heimo Zobernig, der auch die einfache Gestaltung des Studios entworfen hat. Das Konzept zum UTV-Sender wurde in mehreren Texten und dem hier zu sehenden Comic vorgestellt.

A. R. Penck Strawalde
DDR Film 1985-89

A. R. Penck und Strawalde (Juergen Boettcher) gelten unbestritten als die Vaeter einer Generation von Underground-Filmern und Kuenstlern, die sehr malerische und kuenstlerische Filme im Gegensatz zum narrativen Experiment produzierten und die sich intermedial zwischen Aktion, Malerei, Musik und Film bewegten. Ihr "natuerliches" Arbeitsmittel war der einfach zu organisierende Super-8-Film. Zugang zu Videoequipment war praktisch unmoeglich bzw. erforderte Devisen. Kuenstlerische Videoproduktionen begannen erst gegen Ende der 80er Jahre. Der Filmboom ist partiell auch ein Produkt eines Netzwerks gewesen, das in den von Thomas Werner betreuten Arbeitsheften Koma-Kino ein kurzes Publikationsmedium hatte und sich vor allem bei einigen Veranstaltungen und Events konstituierte. Zu diesen gehoerten u.a.: intermedia 1, Coswig, 1985; Filmvorfuehrungen von Lutz Dammbeck und Strawalde, Dresden, 1985; Auffuehrungen von Dammbecks Mediencollagen in Leipzig oder am Bauhaus Dessau; filma morgana in Dresden, 1987

Dogfilm
Soap

14 Tage aus dem Leben unserer "Nachbarn" zwischen "Lindenstrasse" und "Dallas", "jung und leidenschaftlich" , "reich und schoen", Babs und Boris... Die Kondensierung aller "Soap-Operas" in einem rasanten Reigen von Schwarzweisspiktogrammen und Einschueben dokumentarischer Interviews praesentiert die Quintessenz der Fernsehdramaturgie als die Wiederkehr des Ewiggleichen aus dem Fundus der Fernsehzeitschrift, als erzaehlerischen Salto Mortale und comicartige Anekdote. Darueberhinaus schafft das Autorenkollektiv jedoch eine ganz neue Symbol- und Bildsprache, indem es grafische Loesungen noch fuer die vertracktesten Verwicklungen der Geschichten findet, die von mitreissender Comic und verblueffender Kreativitaet sind. Das Band wurde 1995 mit dem Deutschen Videokunstpreis ausgezeichnet.

Peter Dimke u.a.
ScrollheimSuesseTeile seit 1991, Magazin

In bisher sechs Ausgaben hat das Magazin "Scrollheim" Thesen und Texte zu Kunst und Medien vertreten und verbreitet. Dabei nimmt es von Zeit zu Zeit die Form eines anderen Mediums an: Nr. 1 ist noch eine Zeitschrift, 1992 folgt dann "Hier spricht die KunstPolizei - die Beobachtung der Kunst" als Sendung im Offenen Kanal Berlin zusammen mit einem Sonderheft. Nr. 2 erscheint auf der Sammel-CD- ROM Worldmedia Interactive, Nr. 3 und 4 als eigenstaendige CD-ROMs, jeweils als Anthologie von Texten verschiedener Autoren. Die Sonderausgabe Nr. 5 erscheint dann als Buch "Eine KuensterTheorie der Universellen Maschine. Die Kunstfaehigkeit des Computers in bezug auf seine Anwendung, Verwendung, Animation + Installation" von Peter Dimke, die, obwohl "Kunst", immerhin als Doktorarbeit anerkannt wurde. Die hier zu sehende interaktive Animation enthaelt eine Auswahl von Texten aus den bisherigen Ausgaben.

Lutz Dammbeck
Herakles Konzept: Krieg der Viren

Diese 1996-97 entwickelte Installation ist die Fortfuehrung der Arbeit am "Herakles"-Projekt, das der Kuenstler Lutz Dammbeck bereits 1982 - damals noch in Leipzig - begonnen hatte. Der Besucher findet auf der Festplatte eines PCs das Spiel "Demiurg" sowie eine "Weltformel", die den "unbegrenzten Zugriff auf das gesamte genetische Material" simuliert. Der Spieler-Demiurg kann sich aus dem angebotenen Material zusammensetzen, was er gerade benoetigt: Identitaeten, Kulturen, Voelker. Leuchtkaesten sind bestueckt mit Grundrissen aus dem Zeitalter der Moderne: Schemata und Bauplaene eines Computervirus, von Nomadenzuegen und Flughaefen, des Monte Verita etc. Trotz Vernetzung und Globalisierung ist polarisierendes Denken immer noch vorherrschend: Dammbeck verweist auf die beunruhigende Unfaehigkeit, mit dem Nicht-Identischen umzugehen.

Dellbruegge & de Moll
Der Diskurs findet hier statt "vor ort", Langenhagen

Die Diskurslastigkeit der Kunst der 90er Jahre reflektieren Dellbruegge & de Moll in einer Reihe von Interventionen im oeffentlichen Raum. Der vielfach kritisierte klassische weisse Ausstellungsraum - "white cube" - wird hier zum Objekt der Ausstellung selber und zum Traeger seiner Message. Auf dem Marktplatz von Langenhagen und im Kontext der Ausstellungsreihe "vor ort" wurde dieser hermetische Kubus oeffentlichkeitswirksam temporaer fuer 10 Tage plaziert. Der Kubus beinhaltet nicht mehr die Kunst, sondern vielmehr die Reflexion ueber Kunst, hier realisiert in Form von Audioaufnahmen eines Stimmengewirrs der CD "Der Diskurs findet hier statt", Theorietexten, die je nach Kontext anders medial angeboten werden (Discman, Ghettoblaster, CD-Player, Raumbeschallung etc.) und in diesem Fall hinter einer Tuer verborgen und unzugaenglich bleiben.

Dore O.
Blindman's Ball

Ein poetisch-malerischer Experimentalfilm mit narrativen Elementen. Ein offenbar blinder Mann wird von einer Frau gepflegt. Sie zieht ihn aus, legt Verbaende an und bekleidet ihn. Die Handlung wird auf gegeneinanderlaufenden Zeitachsen gezeigt, so dass die Beziehung des Paares im Zustand der Stagnation erscheint. Dazwischen sind innere Bilder der Protagonisten zu sehen: Alptraeume, eine optische Maschine, aber auch erotische Traeume aus einer vielleicht besseren Zeit. Tango-Motive und eine Arie (Musik: Anthony Moore) verstaerken den Eindruck eines romantischen Kammerspiels. Die Blindheit des Mannes bezieht sich auf Joseph Plateau, einen Pysiker und Pionier fuer die spaetere Entwicklung des Films, der seinen Augapfel durch Nachbildforschungen zerstoerte. Die Bildtechnik, in der Schicht auf Schicht ueberblendet wird, erinnert an die Uebermalungen im Leinwand-Îuvre der Autorin.

Die Toedliche Doris
Naturkatastrophenkonzert

"Katastrophen selbermachen" - Spielanleitungen, Ideen zum Nachahmen und genialen Dilettantismus fuehren Die Toedliche Doris hier in gewohnt radikaler wie ironischer Weise vor. Einem dreifachen Solo mit verschiedenen (Folter)Instrumenten, Gesang, interpretiert von Kaethe Kruse, Ziehharmonika, mit Reissnaegeln besetzt und gespielt von Nikolaus Utermoehlen, sowie Geige, Wolfgang Mueller, zu jeweils brennenden Mikrofonen folgt ein abschliessendes stummes Trio - das Kabel verschmort, der Tontransfer unterbrochen, nur das Videoband laeuft weiter. Neben dem ebenfalls ausgefuehrten "Naturkatastrophenballett" (das u.a. fuer eine der legendaeren Rockpalastsendungen des WDR aufgezeichnet wurde) ist das "Konzert" in Clip-Laenge eine magische Beschwoerung einer geschundenen Natur, inszeniert auf einer denaturierten, urbanen Natur-Buehne in der Naehe der Mauer im Berliner Bezirk Kreuzberg. Doch der wohlkalkulierte Aktionismus der drei Dilettanten ist immer auch kalkulierter Einsatz der Medien, sei es Film, Tonband, Mikrofon, parfuemiertes Petroleum oder hier ein Feuerzeug. Die live gespielte Version des Konzerts als "Gesaenge" wurde u.a. auch bei der documenta 8, 1987, aufgefuehrt.

Alba D'Urbano
Esposizione Impraticabile

Die interaktive Computersimulation des Ausstellungsraumes. Der Besucher konnte sich mittels einer auf eine Stele montierten Spacemouse interaktiv im vom Computer erzeugten, virtuellen Raum in jede gewuenschte Richtung bewegen. Naeherte er sich den dort plazierten Bildern, wurden an diesen Stellen Verwandlungen generiert. Die urspruengliche Malerei loeste sich erst in grobere Pixel und dann in die als ASCII-Code dargestellten Daten des Bildes auf. Auf dem Flur ergaenzten Instituts-Leuchtkaesten mit Reproduktionen der Bilder und Ausdrucke der ASCII-Bilder u.a. die medialen Darstellungen.

Die Veteranen
Venetian Deer

Die Veteranen ueberraschen mit einer Fuelle von dadaistischen Wortspielen, interaktiven Zeichenelementen, bewegbaren Figuren und abrufbaren Klang-Samples. Kleine Aufgaben erwarten den Nutzer. Er hat labyrinthische Wege in der Unterwelt zu durchstreifen, kann Musikstuecke mit phonetischen Klanggedichten kombinieren, eigene Tonaufnahmen machen und ueber das Internet auf den Server des Verlages zurueckgreifen, auf dem sich die "Venetian Deers" aus aller Herren Laender tummeln. Man taucht in eine Welt aus Toenen und Geraeuschen, aus Bildern und Animationen und klickt durch ein aus 16 Szenarien bestehendes Chaos. Eine gezielte Navigation ist zwar moeglich, doch bleibt viel Raum fuer Ideen und Experimente, Geraeusche, Toene, Text und Samples werden veraendert, verfremdet, verdreht, neu verbunden oder zu kleinen Werken collagiert. Die komplexe Tonebene gestalten die Soundkuenstler Stock, Hausen & Walkman aus Manchester (GB). In Performances wird das Material der CD-ROM auch live gesampelt und projiziert.

Heinz Emigholz
Der Zynische Koerper

Fuenf Menschen blaettern in den Notizbuechern ihres verstorbenen Freunds Roy und rekonstruieren dabei ihre gemeinsame Vergangenheit: der Schriftsteller Carl, seine Mitbewohnerin, die Fotografin Liza, der Architekt Jon, fuer den Liza fotografiert, der Zeichner Fred, mit dem Carl Situationen seines Romans durchspielt, und die Uebersetzerin Bela, die Freudsche Versprecher sammelt. Der Essay in Spielfilmlaenge, der von Bauten, Landschaften und Koerpern wie von der Liebe zwischen Bi-, Hetero- und Homosexuellen handelt und als eine visuelle und inszenierte Geschichte der Kultur und des Films gesehen werden kann, entstand unter Mitwirkung vieler Freunde wie u.a. Wolfang Mueller und Nikolaus Utermoehlen von der "Toedlichen Doris".

Ulrich Eller
Im Kreis der Trommeln

Zentral im Raum und in kreisfoermiger Ausdehnung stehen 40 auf Originalstaendern montierte Snaredrums. Alle Trommeln sind gleichen Bautyps und mit einem Lautsprecher je Kessel versehen. Die raeumlichen Abstaende zwischen den Objekten sind so gewaehlt, dass ein bequemes Durchlaufen moeglich ist. Beim Betreten des Trommelfeldes wird ein in Lautstaerke und Aktivitaetszeit variierter Grundton auf alle 40 Trommeln verteilt. Die akustische Zuordnung erfolgt durch ein rechnergestuetztes Programm, welches nach einer festgelegten Partitur arbeitet und manchmal nur ein Objekt, Objektgruppen oder auch alle Objekte zur selben Zeit aktiviert. Zufall und Stille sind dabei ebenso kompositionelle Bestandteile wie etwa sich wiederholende, rhythmische Pattern oder wiedererkennbare akustische Bewegungen im gesamten Trommelfeld. Tonalitaetsspruenge werden ueber die Stimmbarkeit eines jeden Schlagfells erzeugt, wobei der in Zeitlaenge und Charakteristik variierte Ausgangsimpuls rein physikalisch nur dazu dient, die Eigenresonanz jeder Trommel fuer einen kurzen Augenblick hoerbar zu machen, die dann in ihrem Snaredrum-typischen Sound reagiert. Beim Eintreten in den Trommelkreis befinden sich die Hoerer in einer stetig wechselnden, verraeumlichten Geraeuschbewegung aus individuellen und kollektiven akustischen Aktionswechseln.

Valie Export
Bilder der Beruehrungen

Eine dunkelfarbige Hand im Fadenkreuz - ueber das Interface der Eingangs-Handflaeche sind fuenf Begriffe verteilt: index, playback, biographie, credits, syntagma. Auf der "Index"-Seite sind parallel zwei Ordnungssysteme untergebracht. Eine Schachtel voll gerahmter Diapositive fuehrt zu den Fotoarbeiten, die Aufnahme eines Regalfaches mit handbeschrifteten Cassetten ist die Startoberflaeche fuer Ausschnitte aus insgesamt 16 Videotapes. Das Navigationssystem der CD-ROM, die wie ein Katalog die mediale Arbeit Valie Exports als repraesentative Auswahl neu konfiguriert, ist betont visuell gestaltet. Dieser Verzicht staerkt die Praesenz der Titel einzelner kuenstlerischer Arbeiten und der - teilweise gesprochenen - Textpassagen. "Syntagma" steht fuer einen Experimentalfilm der parallel zu den genannten indexalischen Konstruktionen in seinem Ablauf auf Arbeiten Exports verweist und so zum filmischen Ausgangspunkt fuer die Erkundung der Sammlung von Werken aus den vergangenen Jahrzehnten wird.

Holger Friese Max Kossatz
www.antworten.de

"antworten.de" begruesst den User z.B. mit der Nachricht "We are now serving 94. Sie haben Nummer: 99, bitte warten!!!". Dazu setzt eine Endlosschleife mit Wartemusik ein. Nach 100 Sekunden erscheint die Frage "Moechten Sie etwas schreiben oder etwas lesen, waehrend Sie warten?" Klickt man auf "lesen", werden detaillierte Zugriffsstatistiken fuer "antworten.de" seit dem 31.5.97 aufgerufen. Die Option "schreiben" oeffnet ein Fenster, das zum Verfassen einer e-mail an "fragen@antworten.de" einlaedt. Nach drei Minuten wird die naechsthoehere Wartenummer aufgerufen. Kluge Koepfe ueberschlagen jetzt die Zeit, zu der sie ungefaehr drankommen. Jedoch werden selbst sie mit der Antwort "Sie sind leider zu spaet, Ihre alte Nummer war 99, Ihre neue Nummer ist 106" abgespeist. "antworten.de" besteht aus mehreren CGI-Skripten, die Nummernzuweisung erfolgt durch ein Cookie, das auf dem Rechner des Users abgelegt wird. Das vielversprechende Angebot entpuppt sich als automatisiertes Maschinenskript - das Hoffen auf Antworten ist vergeblich. Das Warten ist die einzige Kommunikationsleistung des Kommunikators.

Fred Froehlich
Wunder

Im Alltag begegnen uns immer wieder kleine Dinge, deren Funktion sich nicht auf den ersten Blick erschliesst, die uns aber im Gebrauch bald vertraut werden, so dass wir den Blick fuer die Raetselhaftigkeit ihrer Form oder ihre moegliche symbolische Deutung verlieren. Aus ihrem Kontext geloest und als auratische, grosse, leuchtende Bilder an die Wand projiziert, laesst sich in ihnen die verlorenen Magie des Alltags wiederentdecken. Ein Terminal mit einem Touchscreen offeriert eine Auswahl von 27 Begriffen, so etwa Zukunft Vision, Energie, Frische oder Freude. Jeder der Begriff loest bei Beruehrung eine Abfolge aus den 300 Bildern in den drei Projektoren und korrespondierende Klaenge aus.

Adib Fricke
The Word Company

Adib Frickes Dekonstruktion von Zeichen und Semantik anhand computergenerierter Textbausteine findet im digitalen Katalog der "Word Company" seine bisher konsequenteste und vielfaeltigste Formulierung. Im Netz oder als CD-ROM vertreibt der Kuenstler als Dienstleister seine "Protonyme", Produkte kreativer Wortgestaltung. Die Simulierung der "Corporate Identity" einer Firma - The Word Company verfuegt auch ueber ein Logo - oder eines Woerterbuchs evoziert vielfaeltige Moeglichkeiten der Kontextualisierung und impliziter Subtexte zum Umgang mit Wortschoepfungen wie dem raetselhaften "Yemmels" oder dem vertraut klingenden "Methos". Fricke stellt diese "autonomen" Worte nicht nur ins Netz, sondern auch als traditionelles Tafelbild ins Museum. Seine Rubrik "Worte fuer den Tag" ist zu guter Letzt nicht nur erbaulich, sondern staerkt uns auch psychisch. Mit trockenem Humor entlaesst Fricke den Leser aus der reinen Textwelt, damit wir uns dem alltaeglichen semantischen Rauschen gestaerkt wieder stellen koennen.

Dieter Froese
Unpraezise Angaben (Not a Model for Big Brother's Spy-Cycle)

Die Aktualitaet der Orwellschen Anti-Utopie des Verlusts persoenlicher Freiheit durch eine allgegenwaertige Ueberwachung und Kontrolle inszeniert Dieter Froese in einer Videoinstallation, die das ganze Haus des Kunstmuseums okkupiert. Die in der Arbeit zum Ausdruck kommende Ambivalenz des elektronischen Mediums ist formal vielschichtig realisiert: in der Spanne von Wahrheit und Vortaeuschung, realem Objekt und Modell, hier Kameradummies und Monitorattrappen, wie auch in der Doppelboedigkeit der inszenierten Verhoere eines vorproduzierten Videotapes, das den Auftakt zu einem Kreislauf der Information bildet. Dieser Einstiegspunkt wird auf 2 Monitoren angeboten, die von einer beweglichen Kamera in den naechsten Raum uebertragen werden, wo sie wiederum von einer Kamera erfasst und uebertragen werden usw. Dieser "spy-cycle", also Ueberwachungszyklus, steigert sein Prinzip bis zur Absurditaet eines "Theaters der Furcht".

Frank Fietzek
Subjektive Maschine

Die "Subjektive Maschine" ist ein auf dem Boden liegendes, kompaktes Lochgittergehaeuse, in dem ein Mikrocomputer und Sensoren untergebracht sind und in dessen Schmalseite ein Monitor eingelassen ist. "Die Maschine bildet sich anhand verschiedener Sensorendaten eine Meinung ueber die jeweilige Situation und aeussert diese schriftlich auf dem Monitor." (Frank Fietzek) Es handelt sich also um einen "Kommunikationsapparat", der nicht zwischen zwei (oder mehreren) Menschen vermittelt, sondern Mitteilungen "ueber sich selbst" in bezug auf seine Umgebung macht und sich damit vollkommen selbst genuegt. Fuer den Betrachter ist nur schwer nachvollziehbar, was genau die Sensoren wahrnehmen und auf welche Weise daraus eine "maschinelle Empfindung" entsteht. Die verblueffende Aeusserung eines Computers, dass eine Situation angenehm sei, weist auf die absurden Uebertragungen und Personifizierungen im Umgang mit dem Computer, der mehr und mehr zu einem Gegenueber geworden ist und dem wir, oft genug unfaehig, seine komplexe Funktionsweise zu durchschauen, allzu gerne menschliche Eigenschaften zuschreiben.

Monika Fleischmann Wolfgang Strauss
Home of the Brain

Jeweils ein Besucher kann mit Hilfe eines Datenhandschuhs und einer Datenbrille durch Bilder navigieren, die in der Datenbrille sichtbar sind. Gleichzeitig sehen die anderen Besucher diese Bilder auf einer Projektionsflaeche oder auf Monitoren. Der Interakteur scheint, sich durch einen Raum zu bewegen, der architektonisch der oberen Halle der Neuen Nationalgalerie in Berlin nachempfunden ist. In diesem Raum befinden sich neben abstrakten Baumstammformen, Waenden, Kegeln und flachen Bodenplatten, die mit weissen Schriftzeichen versehen sind, vier Raeume, die von vier Wissenschaftlern und Philosophen bewohnt werden: Joseph Weizenbaum, Marvin Minsky, Paul Virilio und VilÉm Flusser geben Statements ueber die gesellschaftlichen Auswirkungen der neuen Medientechnologien ab.

Terry Fox
Berlin Wall Scored for Sound

1980-81 verbrachte Terry Fox als Stipendiat des DAAD in Berlin. Von seinem Atelier im Kuenstlerhaus Bethanien in Kreuzberg konnte er ein grosses Stueck Mauer ueberblicken: "Ich sah, dass sie Strassen, Plaetze und sogar Haeuser teilte. Ich beschloss, eine Klangkarte, eine Partitur, eine Art hoerbare Geografie dieser Struktur anzufertigen. Ich markierte die geografischen Eckpunkte von West-Berlin mit einem Punkt und verband diese vier Punkte mit geraden Linien, um die sich dann die Mauer im Zickzack wand und ein Muster bildete. Vier weitere Linien in jeweils gleichem Abstand parallel zu der Mittellinie zwischen West- und Ost-Berlin bildeten eine Art Notenzeile. Die Gesamtlaenge der Mauer in Zentimetern wurde in Sekunden umgerechnet, so dass Entfernung in Zeit gemessen wurde. Topografische und geometrische Besonderheiten der Mauer wurden in Kategorien eingeteilt: gebogen oder gekruemmt (E), gerade (C), chaotisch (H), Kanal (D), See (F) und in etwas, das den Sternen des Pferdekopfnebels im Sternbild Orion entsprach (X). Die gesamte Partitur fuer 6 verschiedene akustische Toene ist eine endlose Schleife genau wie die Mauer, die sie beschreibt."

Festival
Digitale Koeln Festival

Die Digitale ist ein Treffen von internationalen Filmemachern, Kuenstler-Entwicklern und Managern, die sich mit der digitalen Welt des Computers und seinem Verhaeltnis zum Bewegtbild, aber auch mit der Verbindung zwischen Kunst und Oekonomie beschaeftigen. Die Digitale stellt Fragen, formuliert Vorschlaege und untersucht die Moeglichkeiten eines kuenftig erweiterten Kinos. Als dreitaegige Veranstaltung konzipiert, bietet die Digitale Diskussionen, Workshops und Praesentationen fuer ein interessiertes Fachpublikum und die breite Oeffentlichkeit. Die Digitale findet seit 1994 jaehrlich statt und wird seit 1995 in Koeln von der Kunsthochschule fuer Medien Koeln im Auftrag der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen ausgerichtet.

Festival
Europaeisches Medienkunst Festival Osnabrueck

Hervorgegangen aus dem Experimentalfilm Workshop und getragen vom Film- und Medienbuero Niedersachsen, hat 1988 erstmals das Europaeische Medienkunst Festival (EMAF) in Osnabrueck unter der Praemisse stattgefunden, kuenstlerische Reflexionen ueber die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien verstaerkt in die Oeffentlichkeit zu ruecken. Im Kontext der deutschen Medienfestivals bekennt sich das EMAF seitdem jaehrlich zu einer nachhaltigen Vermischung von Film- und Videoexperimenten. Umfangreiche Ausstellungen wie auch Vortraege und Retrospektiven sind Teil des Konzepts. Immer wieder entdeckt das Kuratorenteam Hermann Noering, Alfred Rotert und Ralf Sausmikat wegweisende technologische wie kuenstlerische Experimente. Ein umfangreicher Katalog dokumentiert neben den Festivalprogrammen auch laengere Textbeitraege zu den thematischen Schwerpunkten.

Festival sonambiente
festival fuer hoeren und sehen

Aus Anlass ihrer 300-Jahrfeier praesentierte die Akademie der Kuenste 16 Jahre nach "Fuer Augen und Ohren" (1980) mit "sonambiente" wiederum eine gattungsuebergreifende, umfassende Ausstellung zu audiovisuellen Installationen. An verschiedenen oeffentlichen wie musealen Orten des Berliner Zentrums versammelten die Kuratoren Christian Kneisel, Matthias Osterwold und Georg Weckwerth 67 exemplarische Klanginstallationen und -projekte. Vertreten waren u.a. Ulrich Eller, Terry Fox, Stephan von Huene, Rolf Julius, Christina Kubisch, Beno"t Maubrey, Gordon Monahan, Nam June Paik, um nur die KuenstlerInnen der vorliegenden CD-ROM aufzulisten. Konzerte, Performances, ein Symposium, ein "listening room" sowie eine abendliche "sound bar" ergaenzten die Ausstellung. Dem Katalog war eine Audio-CD-Dokumentation beigefuegt.

Festival
Medienbiennale Leipzig

Die Medienbiennale Leipzig fand als erstes internationales Festival fuer Medienkunst in den neuen Bundeslaendern zweimal statt. 1992 standen 16 Installationen im Museum der Bildenden Kuenste im Dialog mit der Sammlung alter Kunst. 1994 wird ein riesiges, leerstehendes Industriegelaende (Abb.) von 75 internationalen Kuenstlern unter dem Thema "Minima Media" bespielt. Das von Dieter Daniels entwickelte und zusammen mit Inke Arns realisierte Konzept schlaegt eine Verbindung von den 60er (u.a. mit Jochen Gerz, Allan Kaprow, Bruce Nauman, Nam June Paik) zu den 90er Jahren (u.a. mit Breda Beban/Hrvoje Horvatic, Stan Douglas, Peter Dittmer, Dellbruegge & de Moll, (e.) twin Gabriel, Douglas Gordon, Dieter Kiessling, Werner Klotz, Helmut Mark, Alexei Shulgin, Alexandru Patatics, Daniela Plewe, Anja Wiese). Der Schwerpunkt lag auf ortsspezifischen Low-Tech-Installationen, umfasste aber auch Internetarbeiten (u.a. mit Handshake, Museum fuer Zukunft, Muntadas, Nina Fischer/Maroan El Sani) sowie Installationen im oeffentlichen Raum (u.a. Fred Froehlich, Joerg Herold, Maix Mayer, Olaf Nicolai, Tilo Schulz).

Festival Skulpturenmuseum Glaskasten
Marler Video-Kunst-Preis

Der seit 1984 alle zwei Jahre verliehene Marler Video-Kunst-Preis war nicht nur der erste seiner Art, sondern ihm gelang auch von Anbeginn eine Zusammenarbeit mit dem Fernsehen (Aspekte Redaktion des ZDF). Damit wurde zumindest in einem zweijaehrigen Rhythmus der deutschen Videokunst sowohl finanziell als auch medienwirksam Aufmerksamkeit zuteil. Neben einer die Preisverleihung begleitenden Ausstellung und einem Tourprogramm fuer die deutschen Kunstvereine und das Goethe-Institut leistet der Katalog seit 1984 auch eine seismografische und statistische Bestandsaufnahme.

Festival
Mediale Hamburg

38 kuenstlerische Institutionen und kulturelle Orte sowohl aus dem Kunstkontext wie dem oeffentlichen Raum verbanden sich in Hamburg zum Festival Mediale, initiiert vom Galeristen Thomas Wegner. Performances, Theater- und Tanzprojekte, Symposien, mediale Events, u.a. mit Van Gogh TV, sowie die Art & Fair Messe zwischen Kunst und Kommerz (Design: Robert Wilson) machten die Vielfalt des Festivals aus. Doch stand im Zentrum der Mediale eine klassische Ausstellung in den Deichtorhallen zum Thema der vier Elemente. Ziel war es, das Elementare als Gegenpol zur hochtechnologischen Umwelt gerade durch die Umsetzung mit medialen Mitteln ins Blickfeld zu ruecken. Beteiligte Kuenstler der Ausstellung waren: Marina Abramovic, Klaus vom Bruch, Peter Campus, Jan Dibbets, Paul Garrin, Hans Haacke, Stephan von Huene, Magdalena Jetelová, Rolf Julius, Jannis Kounellis, Shigeko Kubota, Marie-Jo Lafontaine, Bernhard Leitner, Richard Long, Matt Mullican, Joseph Nechvatal, Marcel Odenbach, Vito Orazem/Thomas Lueck, Nam June Paik, Fabrizio Plessi, Klaus Rinke, David Rokeby, James Turrell, Bill Viola, Nives Widauer.

Festival
Internationale Kurzfilmtage Oberhausen

Die Kurzfilmtage Oberhausen wurden 1954 als Westdeutsche Kulturfilmtage von der Volkshochschule der Stadt Oberhausen unter der Leitung von Hilmar Hoffmann gegruendet. Als internationales Ereignis mit Wettbewerbscharakter konzipiert, trug es dazu bei, dass die junge Bundesrepublik den Anschluss an die Weltfilmkultur fand. In den erten beiden Jahrzehnten fuehrte Oberhausens "Weg zum Nachbar" als einziges deutsches Festival in die sozialistischen Laender - eine kulturpolitische Vorwegnahme der "Ostpolitik". In den 60er Jahren war Oberhausen eine Plattform fuer den jungen deutschen Film (Oberhausener Manifest 1962). In den 70er Jahren wurden verstaerkt Filme aus Lateinamerika und Asien beruecksichtigt. Nach abgeschlossener "Globalisierung" expandierte das Festival bezueglich der Filmformen und der Techniken. Als erstes deutsches Filmfestival zeigte es Computeranimationen und Fernsehfilme. In den 90er Jahren oeffnete sich der Wettbewerb unter der Leitung von Angela Haardt dem Videoformat und in Sonderprogrammen allen Erscheinungsformen der neuen Medien (Interaktives TV, CD-ROM, WWW, Hyper Media).

Festival Stiftung Bauhaus Dessau
OSTranenie

Alle zwei Jahre widmet sich das "Internationale Video-Forum" der Stiftung Bauhaus Dessau den kuenstlerischen Bereichen Video, Installation, Performance und Workshop mit einem besonderen Augenmerk auf Produktionen und Beitraegen aus den osteuropaeischen Laendern. Dem von Stephen Kovats initiierten Festival gelang es unter dem Begiff "ostranenie" (Verfremdung), ein eigenstaendiges inhaltliches Profil im Kontext der Medienkunstfestivals fuer den Osten der Bundesrepublik zu reklamieren. Das Festival wird organisiert im Verbund und jaehrlichen Wechsel mit der Werkleitz Biennale. Das EMI Studio (Studio Electronic Media Interpretation) der Akademie der Stiftung Bauhaus Dessau praesentiert seit 1995 das Festival in Zusammenarbeit mit K.I.E.Z. e.V. Dessau, der Werkleitz Gesellschaft, Zentrum fuer kuenstlerische Bildmedien Sachsen-Anhalt als eine Veranstaltung der Medieninitiative Sachsen-Anhalt.

Festival
transmediale/VideoFest

Die transmediale praesentiert jedes Jahr 10 Tage lang parallel zu den Berliner Filmfestspielen das Neueste aus allen Bereichen elektronischer und digitaler Medienkunst: Videoproduktionen, Computeranimationen, Netzkunstprojekte, CD-ROMs und interaktive Medienszenarien. Eine Ausstellung mit medialen Installationen sowie Events und Performances ergaenzen das Programm. "Presentations" zur Entwicklung der Neuen Medien sowie ein besonderes Augenmerk auf experimentelle TV-Aesthetik bilden weitere Schwerpunkte - hier stellen internationale Fachleute zukunftsweisende Trends in Vortraegen und mit Beispielen vor. Der Abend ist den "Screenings" der Wettbewerbsprogramme und den Sondervorfuehrungen vorbehalten. 1988 als VideoFilmFest aus dem "internationalen forum des jungen films" hervorgegangen und von der MedienOperative e.V. getragen, kooperierte das Festival zunaechst von 1990-93 mit der Akademie der Kuenste West und Ost, zeigte Ausstellungen in der Galerie am Pariser Platz und den Kunstwerken, bevor das Podewil im Berliner Bezirk Mitte zum dauerhaften Veranstaltungsort wurde.

Videokunst in Deutschland
Koelnischer Kunstverein, Koeln

Die erste umfassende Retrospektive zur Videokunst in Deutschland widmete sich allen Bereichen: Videotape, Installation, Objekten, Performances und publizierte einen enzyklopaedischen Katalog im Rahmen der Ausstellungsreihe "Ars Viva". Dies war nach u.a. "Projekt '74" und "Nam June Paik" (1976) ein weiteres von Wulf Herzogenrath kuratiertes Medienkunstprojekt am Koelnischen Kunstverein (sowie als Wanderausstellung auch in Hamburg, Karlsruhe, Muenster, Muenchen, Nuernberg, Berlin), das jedoch erst sehr viel spaeter in seiner Bedeutung erkannt wurde, als der Boom der neo-expressiven Malerei abgeebbt war.

Festival
Videonale Bonn

Die Bonner Videonale wurde von drei Studenten 1984 gegruendet (Dieter Daniels, Baerbel Moser, Petra Unnuetzer) als das erste internationale Videofestival in Deutschland. Seither findet die Videonale als Wettbewerb fuer Kunstvideos begleitet von Sonderprogrammen und Installationsausstellungen zweijaehrlich statt. Ausserdem werden vom Videonale-Team Programme fuer Museen und andere internationale Festivals kuratiert. Das Kunstmuseum Bonn hat mehrfach die Preistraeger der Videonale angekauft und ist Ort des zwischen den Festivals stattfindenden Videonale Intermezzo. Mit dem WDR-Fernsehen besteht eine regelmaessige Kooperation. So wurden die Videobaender der Gewinner ausgestrahlt und ein Foerderpreis vergeben. 1998 wurde erstmals auch ein CD-ROM-Programm gezeigt. Die Leitung und Konzeption wird seit 1996 von wechselnden Kuratoren uebernommen (1996 Catrin Backhaus, Rosanne Altstatt, 1998 Ute Hoerner, Judith Ruzicka).

Festival
Internationaler Videokunstpreis ZKM

Seit seiner offiziellen Gruendung 1989 unter der Leitung von Heinrich Klotz praesentierte das ZKM alle 2 Jahre ein Festival, das dem Publikum bis zur Eroeffnung der renovierten IWKA-Hallen als Sitz des ZKM einen Einblick in die Sammlungs- und Produktionsaktivitaeten des Zentrums geben sollte. 1993 wurde mit der Multimediale 3 erstmals das zukuenftige Domizil in noch unrenoviertem Zustand (Abb.) von den verschiedenen Abteilungen des Hauses Museum fuer Neue Kunst, Medienmuseum, Mediathek sowie den Produktions- und Forschungsinstituten Institut fuer Musik und Akustik und dem Institut fuer Bildmedien bespielt. Neben den Ausstellungen, Konzerten, Vortraegen und Performances wurden im Rahmen des Festivals auch die jeweiligen Preistraeger des Siemens-Medienkunstpreises (1992-97) ausgezeichnet. Geehrt wurden fuer kuenstlerisch herausragende Leistungen u.a. William S. Burroughs, Paul Garrin, Peter Greenaway, Ingo Guenther, Lynn Hershman, Rebecca Horn, Knowbotic Research, Ponton European Media Art Lab, Sabine Schaefer, Steina und Woody Vasulka, Bill Viola, Peter Weibel und fuer ihr theoretisches Werk Jean Baurdrillard, Friedrich Kittler, Paul Virilio und post mortem auch Vilém Flusser sowie fuer ihre Vermittlertaetigkeit Regina Cornwell, Victoria von Flemming, Klaus Schoening, Eckart Stein.

Peter Fischli David Weiss
Videotape

Es geht in diesem Film natuerlich auch um das Problem von Schuld und Unschuld. Ein Gegenstand ist schuld, dass es nicht weiter geht, und auch schuld, wenn es weitergeht. Es gibt ein eindeutiges RICHTIG bei unseren Versuchen; das ist, wenn es funktioniert, wenn dieses Gestell zusammenbricht. Dann gibt es noch ein SCHOeN gleichsam ueber diesem RICHTIG; das ist, wenn es knapp wird oder wenn dieses Gestell zusammenbricht, wie wir es wollen, naemlich langsam und kompliziert, dann ist es schoen zusammengebrochen. Also liegt die Aesthetik auf dem Funktionieren drauf wie die Butter auf dem Butterbrot, ziemlich duenn und gleichmaessig. Falsch ist, wenn die Sachen ganz von selbst loslegen und falsch ist, wenn sie gar nicht losgehen. Der Bereich von RICHTIG (oder dem, was man moraltheologisch auch als GUT bezeichnet) ist bei uns also wahnsinnig schmal. Auch GUT und BOeSE liegen oft sehr nah beieinander, z.B. wo die Kerze auf der Schaukel die Zuendschnur anzuendet. Kerze und Schaukel sind eher gut, weil lieb und kindlich, und die Zuendschnur ist boese, denn fuer etwas Harmloses brauchst du sie ja nicht. Anders betrachtet, ist bei uns jeder Gegenstand gut, wenn er funktioniert, denn er befreit den naechsten, gibt diesem die Moeglichkeit zur Entfaltung. Nicht destruktiv. Diese artistische Versuchsanordnung alltaeglichster Dinge ist eine Kettenreaktion, ein kontrolliertes Happening nach den Gesetzen der Physik und Chemie, den Notwendigkeiten und Zufaellen einer prekaeren Situation, die man auch als "Ordnung aus Schwankungen" bezeichnen kann. Die Kamera folgt fasziniert dem Ereignis, das seinen "Lauf nimmt" und (fast) ohne Schnitt einen 1/2-stuendigen Prozess dokumentiert. Mit diesem Video landeten Fischli/Weiss einen der Publikumsrenner der documenta 8.

William Forsythe
Improvisation Technologies

"Improvisation Technologies" ist eine digitale Tanzschule, die in die Grundlagen der Forsytheschen Improvisationstechniken einfuehrt. In ueber 100 Videokapiteln, kurzen "lecture demonstrations", erlaeutert Forsythe die wichtigsten Prinzipien seiner Improvisationsarbeit. Die Videoaufnahmen wurden grafisch bearbeitet: animierte weisse Linien und andere Effekte zeichnen Bewegungsablaeufe und Figuren nach. Die physische Bewegung und ihre Beziehung zum Raum laesst sich so ganz neu wahrnehmen. Die Installation bietet ausserdem die Dokumentation des Balletts "Self Meant to Govern", das mit vier Kameras aufgezeichnet wurde. Der Betrachter kann zwischen den verschiedenen Perspektiven waehlen. Sequenzen aus der Performance sowie von Studioproben sind zur Verdeutlichung der Theorie mit den "lecture demonstrations" verbunden. 1999 wurde "Improvisation Technologies" in ueberarbeiteter Form als CD-ROM veroeffentlicht (Videoausschnitt).

Bettina Gruber Christoph Lischka
Dog-Ma - The Canis Minor Mission

"Dog-Ma" - ist eine Internetarbeit, die auch als Installation praesentiert wird und als ein "Work in progress" angelegt ist. "Dog-Ma" ist ein Raumschiff, das zu den verschiedensten Missionen im Weltraum eingesetzt wird und dessen erste Reise, die "Canis Minor Mission", im November 1996 stattgefunden hat. Die Hunde-Paraphrase auf bemannte Weltraummissionen laesst den Besucher bis zuletzt im unklaren, was Ernst, was Scherz bei dieser Unternehmung ist. Die Hyperlinks zu zahlreichen wissenschaftlichen Adressen im Internet, die im weiteren Sinne mit Welt und Raum zu tun haben, fuehren dann aus der ironischen Fiktion in den virtuellen Raum der realen Forschung (NASA, Amundsen-Arktis-Station etc.).

Christoph Girardet Volker Schreiner
Subsoil

Zwoelf LCD-Projektoren werfen ihr Bild von oben auf einen weiss gestrichenen Boden, so dass ein bewegtes Bodenmosaik entsteht. Beim Betreten des Bildfeldes stoert der Besucher die Bildmotive durch seinen Koerperschatten. Im Foro Artistico der Eisfabrik Hannover, wo die Arbeit zum erstenmal praesentiert wurde, war es ausserdem moeglich, das Bildmosaik von einer Galerie aus zu betrachten. Das Bildmaterial besteht aus inszenierten Aufnahmen mit den Kuenstlern als Akteuren und neu geschnittener "Found footage", die in sehr kurzen Loops wiederholt werden. Die einzelnen Bildquadrate scheinen, sich visuell und auditiv gegeneinander zu verschieben. Geraeusche, die an mahlende Maschinen erinnern, versetzen den gesamten Raum und die Betrachter in koerperliche Schwingungen.

Eva Grubinger
Netzbikini

"Netzbikini" offeriert die Moeglichkeit, sich via Computer und Netzanschluss Schnittmuster fuer Bikinis abzurufen, die sich die NetzuserInnen im Anschluss daran selbst zusammenschneiden koennen. Dazu muss sich der/die UserIn zunaechst einen passenden Schnitt (Konfektionsgroessen S, M oder L) downloaden, ausdrucken und zusammenfuegen. Daraufhin erfolgt der Zuschnitt (die Kuenstlerin empfiehlt transparenten Netzstoff, z.B. Gardine) und das Naehen auf bereitstehenden Maschinen. Wer Eva Grubinger dann ein Foto (Netzbikini, angezogen) schickt, darf sein Netznaehkunstwerk mit einem Designer-Label der Kuenstlerin schmuecken. Dem Cyber-Koerper-Kult setzt Eva Grubinger damit subversiv schlichte Handarbeit entgegen.

Freddy Paul Grunert
Xenografia

Eine Videoinstallation mit 70 Monitoren auf einem Nomadenwagen unter einer Zeltplane, direkt vor dem italienischen Pavillion. Mit allen Merkmalen des Provisorischen werden Videos gezeigt von internationalen Kuenstlern - Nomaden unserer Zeit. Ein ambulanter Ort, Xenografie des Nomadischen, eingeschrieben (gr. "graphein" - schreiben) durch die Begriffspaarung gr. "xenos" (Gast), gr. "nomos" (Fremder), gr. "nemein" (beziehen), gr. "nemesis" (Rache), Rache im Sinn von Rueckweisung auf den gerechten Ort, also eine Philosophie ohne Grenzen, ohne Absichten, eine Philosophie der eigenen Unruhe, Sensibilitaet und Intensitaet.

Ingo Guenther
documenta 8l

Das Kuerzel "C3 I" im Titel des Werkes steht fuer Command Control Communication und Intelligence. Ein Videoprojektor wirft Satellitenbilder auf die Marmorplatte eines steinernen Blocks. Das projizierte Bild zeigt die aus einer Hoehe von 700 km aufgenommenen Bilder eines sowjetischen Militaerflughafens in Afghanistan und eines Flugplatzes in Honduras, dessen Existenz die Amerikaner leugneten. Die Installation steht im Zusammenhang mit den "Ocean Earth"-Projekten, in denen Guenther gemeinsam mit Peter Fend zum Teil unbekannte Satellitenbilder oeffentlich macht. Mit diesen Bildern rekonstruieren sie eine Wirklichkeit, die sich der alltaeglichen Erfahrung entzieht und doch Wirklichkeit abbildet. In "K4 (C3 I)" bekommen die Besucher ein physisches Verhaeltnis zu diesen Bildern und der "Zauber" der unsichtbaren Kontrolle globaler Satellitentechnik erhaelt ein materielles Gegengewicht.

Jean-Francois Guiton
Coup de vent

Don Quichottes heroischen Kampf gegen Windmuehlenfluegel reduziert "Coup de vent" auf ein bei aller Koerperlichkeit fast abstraktes Muster von Streichen, ausgefuehrt mit einem Stock in "Windeseile". Zwischenschnitte auf rotierende Windmuehlenfluegel sowie die Dynamik der Bewegung und des Schnitts geben dem Band seinen formalen Rhythmus und Rahmen, seine Balance zwischen struktureller Studie und erzaehlerischen Momenten. Diese Arbeit von 1990 stellt den Hoehepunkt einer langjaehrigen Konzentration auf die Untersuchung formaler, linearer Prozesse mit den Mitteln des Videobandes dar.

Kurt Hentschlaeger Ulf Langheinrich
Granulare Synthesen

Kurt Hentschlaeger und Ulf Langheinrich begannen bereits 1991 an ihrem Projekt "Granulare Synthesen" ("Granular Synthesis") zu arbeiten, das spaeter dann zu ihrem Kuenstlernamen wurde. In dieser fruehen 4-Kanal-Videoinstallation wird ihr synthetischer Ansatz schon offensichtlich. Abschnitte von einer halben bis wenige Sekunden Dauer, Einzelereignisse (Grains), werden neu sequenziert, geloopt, versetzt, nicht aber selbst manipuliert. Kopf und Mund als Ausdruckstraeger und primaerer Klangerzeuger werden so stark stilisiert. Die Reorganisation des Materials zerstoert das urspruengliche, "natuerliche" Zeitkontinuum und fuehrt zu einer "Entzeitlichung".

Twin Gabriel
Universal Deserters

Baghildis Gompf, Geisselolt Blodig, Heppo Steppuhn, Modest Immekeppel... einige wenige von insgesamt 3 Namen, die (e.) Twin Gabriel aus vorhandenen - aber aus der Mode gekommenen - Vor- und Nachnamen generiert haben. Fuer 12 davon gibt es computergenerierte Gesichter, fuer zwei richtige Ausweise (Modest Immekeppel und Heppo Steppuhn). Diese werden von Zeit zu Zeit in Brieftaschen verstaut und in Ausstellungen ausgelegt. Sie erscheinen wie verloren, werden von Besuchern gefunden und pflichtbewusst zur Aufsicht gebracht. Zu Brieftasche und Ausweis gehoert ein Besitzer, der als Person mitgedacht wird, wenn jemand diese Hinterlassenschaft wahrnimmt. Es entstehen Geschichten um die fiktive Person.

Walter Gramming
GroszGen

Walter Gramming transformiert die kuenstlerischen wie biografischen Elemente der Welt des George Grosz in einer aufwendigen Studioproduktion. Die malerische Expressivitaet und soziale Kritik der Bildwelten Grosz' - sowohl der deutschen wie der amerikanischen Peiode - uebersetzt er in eine dichte Szenenfolge voller Gewalt und Sexualitaet in einem oeffentlichen Stadtraum. Der Topos der Stadt, der Industrialisierung und Anonymitaet, aber auch der Gleichzeitigkeit von Wahrnehmung und Illusion ist dabei nicht nur fuer Grosz, sondern fuer die Geschichte Berlins generell von zentraler Bedeutung. Mit dieser Auftragsproduktion fuer die Berliner Ausstellung "Mythos Berlin" praesentierte Gramming einen stilistisch komplexen videografischen Essay, der als Ausstellungstueck in eine Stahlinstallation integriert war.

Bettina Gruber Maria Vedder
Der Herzschlag des Anubis

"Der Herzschlag des Anubis" ist eine Videocollage aus Modellen und Beleuchtungseffekten. Die Vorbilder dieses Videobandes stammen aus der altaegyptischen Kultur und von deren mythologische Figuren. Diese werden als Tableaus in Szene gesetzt: "Das Anubis-Charon-Tableau", "Das Isis und Osiris-Tableau" und "Das Horus-Tableau". Dabei werden die einzelnen Szenen mit Papiermodellen der Figuren und der mythologischen Gegenstaende durch unterschiedliche Skalierung vor einem durch Licht und Schatten inszenierten Hintergrund mit thematischen Stimmungen wie "Die Luft unter den Fluegeln", "Die kreisende Nacht" oder "Der schwarze Schatten" assoziert. Die beiden Videokuenstlerinnen Bettina Gruber und Maria Vedder realisieren seit mehreren Jahren gemeinsam Arbeiten.

Jochen Gerz Esther Shalev-Gerz
Die Berliner Ermittlung

Die vielfaeltige Verschraenkung von medialen wie lokalen Oeffentlichkeitsformen (wie das Theater) in der "Berliner Ermittlung" ist einzigartig in der deutschen Gegenwartskunst. Basierend auf dem Originaltext des Stueckes "Die Ermittlung - Ein Oratorium in elf Gesaengen" von Peter Weiss, der den Auschwitz-Prozess in Frankfurt von 1963-65 zum Thema hat und 1965 in 17 Staedten gleichzeitig uraufgefuehrt wurde, operieren Jochen und Esther Shalev-Gerz mit einem erweiterten Aktions- und Buehnenbegriff, bei dem die Plattform nicht nur das Theater selbst ist, sondern der z.B. auch beinhaltet, dass die Akteure ueber Anzeigenkampagnen gefunden wurden. Durch Kooperation mit dem Sender Freies Berlin fuer das Medium Radio, der Redaktion von ZDF-Aspekte fuer das Fernsehen und dem Berliner Tagesspiegel fuer die Zeitung wurden im Vorfeld von den Lesenden persoenlich ausgewaehlte Textpassagen des Stueckes jeweils gesendet bzw. gedruckt in Verbindung mit einem Hinweis auf die Akteure. In den "Vorstellungen" an den drei beteiligten Theatern fungierte Gerz' Installation "EXIT/Das Dachau-Projekt" von 1972 auf der Buehne als gleichbleibender Rahmen und Verweis auf Formen der Bewaeltigung des Faschismus' in Deutschland. Die Premiere des "Work in progress" wurde als Hoerspiel live im Deutschland-Radio uebertragen.

Jochen Gerz
Das Berkeley Orakel

"Das Berkeley Orakel" war ein Projekt fuer das Berkeley Art Museum und das ZKM Medienmuseum. Wie in vielen anderen Arbeiten befasst sich Jochen Gerz darin mit der Befragung der Gegenwart. Internetbenutzer aus aller Welt werden eingeladen, "neue, unvergessene oder noch nie gestellte Fragen" zu stellen, die im Netz eine Art kollektives Archiv bilden. Das Konzept des "Berkeley Orakels" konfrontiert die Frage nach den Folgen der Studentenproteste, die 1968 u.a. von der Universitaet Berkeley ausgingen, mit den realen Fragen der Nutzer. Berkeley steht hier fuer den Aufbruch und die Anregung zum Nachdenken, Zweifeln und Weiterdenken. In einer zweiten Phase manifestierte sich das Projekt als Ausstellung zunaechst in Berkeley und dann im ZKM, wobei Gerz eine Auswahl von 40 im Internet gestellten Fragen als Foto/Texttafeln in allen oeffentlichen Bereichen der Museen plazierte. Als Bildhintergrund der Tafeln mit den Fragen der Internetteilnehmer dient ein fotografischer Ausschnitt der Ruinen von Delphi.

Agnes Hegedues
Between the Words

Diese Installation stellt eine besondere Art von Fernkommunikation zwischen zwei Personen dar, wobei Gesichtsausdruck und Handgesten die entscheidenden Ausdrucksweisen sind. Beide Personen stehen sich gegenueber, getrennt durch eine mit einer Oeffnung versehene Wand. In diese Oeffnung ist ein optisches System aus halbdurchsichtigen Spiegeln eingelassen, in denen von einem Computer erzeugte virtuelle Bilder erscheinen koennen. Auf jeder Seite der Wand befinden sich in Vertiefungen multiaxiale Joysticks, mit deren Hilfe die Betrachter die zwei virtuellen Handpaare im Spiegelsystem manipulieren koennen. Waehrend die virtuellen Haende interaktiv bewegt werden, aendern sich staendig ihre Gebaerden. Dies wird erreicht durch eine algorithmische Metamorphose der Linien, aus denen jede Hand besteht. Dadurch entsteht ein Wechselspiel von Uebergaengen zwischen den einzelnen Gesten. Auf diese Weise erleben die beiden Betrachter die visuelle Kommunikation miteinander mittels der Metasprache gestischer Abfolgen. Sich gegenueberstehend, manipulieren sie interaktiv ihre virtuellen Behelfshaende, um so in einen zwar nonverbalen, doch beredsamen Dialog zu treten.

Birgit Hein Wilhelm Hein
Love Stinks - Bilder des taeglichen Wahnsinns

Ein autobiografischer, dokumentarisch-experimenteller Filmessay ueber die eigene eheliche Sexualitaet, in dem das Private schonungslos offengelegt wird. Waehrend eines laengeren Aufenthalts in New York filmen sich Wilhelm und Birgit Hein gegenseitig. Im Zentrum steht vor allem die Auseinandersetzung mit der Sexualitaet und der eigenen Koerperlichkeit. Die Autoren zeigen offen und ungeschminkt ihre Beziehung und das Leben in intimen Situationen - bei der Liebe, der Selbstbefriedigung oder der Koerperhygiene. All dies geschieht in einer kleinen Wohnung vor dem Hintergrund einer hektischen, beziehungsfeindlichen Stadt, die an der Produktion des "alltaeglichen Wahnsinns" nicht unbeteiligt ist.

Alexander Hahn
Fundamentals of Legerdemain / Grundzuege der Taschenspielerei

Fuenf nackte TV-Roehren simulieren eine Art Gedaechtniskammer als Raum aus computeranimierten Elementen. Im oberen Monitor blickt man auf eine flatternde Fahne. Auf dem mittleren zerfaellt ein steinerner Kopf unmerklich zu Sand. Noch bevor er ganz in einer Bodenritze verschwindet, schnappt eine Falle im Flug vom rechten zum linken Monitor zu. Im selben Moment erscheint wieder der Kopf. Zugleich loest eine kurze Sequenz das Bild der Fahne ab: Sieht man den flinken Griff eines Taschendiebes? Ehe man es realisiert, wird erneut die Fahne eingeblendet und bewegen sich auf dem unteren Monitor die drei Huetchen des bekannten Trickspiels. Unter einem ist - nie zu erraten, wo - eine Kugel versteckt. Das Gedaechtnis wird getaeuscht, die Wahrnehmung ueberrumpelt, die Zeit vergeht wie im Fluge oder unendlich langsam. Die rhythmischen Bildverflechtungen der Installation kontrastieren nicht wahrnehmbare Zeitablaeufe: den eines geologischen Zerfallsprozesses und die Fluechtigkeit eines Augenblicks.

Barbara Hammann
Neue Welle

Die "zerstoerten" Bilder werden zum magischen Lichtstrich. Die Arbeit ist eine spielerische Meditation ueber den Magnetismus, die Gesetze von Anziehung und Abstossung, von Beziehung und Manipulation. Und eine Antwort auf Paiks "Zen for TV", obwohl ich seine Frage vorher nicht kannte. Der Besucher kann den zu einer schmalen Zeile komprimierten Lichtstrich von aussergewoehnlicher Intensitaet durch das darueberschwingende, magnetisierte Eisenpendel elektromagnetisch ablenken, eine sanft modulierte Wellenbewegung entsteht, die je nach eintretendem Reibungsverlust des Pendels langsamer und schwaecher wird. Die Arbeit hat sich im Laufe der Jahre veraendert, u.a. auch durch meine Reaktion auf die jeweils unterschiedlichen Ausstellungsraeume. Die Ablenkung des Lichtstrichs ist abhaengig von der Raumhoehe, die den Schwingungsradius des Pendels bestimmt. Beim mittleren Monitor ist das Pendel der Monitoroberflaeche am naechsten, zu den Raendern hin entfernt es sich immer mehr. Geht der Abstand ueber eine bestimmte Groesse heraus, ist die magnetische Kraft des Pendels nicht mehr stark genug, den Lichtstrich zu bewegen.

Carsten Hoeller
Punktefilm

Abstrakt dargestellt durch weisse Punkte, zeigt das Band ein tanzendes Paar. Nach und nach verblassen die Punkte, bis am Ende nur noch ein einzelner vor dem schwarzen Hintergrund uebrigbleibt. Anschliessend erscheinen alle Punkte aber erneut, so dass der Reigen der tanzenden Punkte wieder von vorne beginnen kann.

Gusztáv Hámos
Berlin Retour

Die Ankunft in der Grossstadt in Berlin war schon immer ein literarisches wie filmisches Sujet. In memoriam Walter Ruttmanns "Berlin. Die Sinfonie der Grossstadt" loest ein Maedchen eine Fahrkarte "Berlin Retour" und der Zuschauer einen Freifahrschein durch 70 Jahre deutsche Geschichte. Die architektonische Wueste des Anhalter Bahnhofs wie des Potsdamer Platzes schaffen die Buehne fuer elektronische Inserts mit Archivbildern zur Historiografie Berlins: Metropole der 20er Jahre, Nazismus, Krieg, Teilung der Stadt, Sozialismus im Osten, Aufstand am 17. Juni, schliesslich die Mauer vom Bau bis zum Fall. Das Maedchen wechselt muehelos die Rollen und medialen Ebenen dank subtiler digitaler Effekte. Am Ende geht es retour im Schnelldurchlauf, doch landet das Maedchen mit einem Salto im Zeitalter der virtuellen Stadtplanung.

Astrid Heibach
Stille Katastrophe

Der Fernsehbildschirm als Fenster zu einer anderen Welt, faszinierenden Tagtraeumen aehnlich. Eine Reproduktion von Goyas "Maya" wird auf dem Bildschirm lebendig und lockt ihr maennliches Gegenueber in ein Spiel der Spiegelungen, Verdopplungen und Fantasien. Die "Stille Katastrophe" besteht in der Unmoeglichkeit, jenseits dieser medialen und tradierten Bilder eine menschliche Kommunikation zu erfahren und aus dem ewigen Kreislauf der Projektionen auszubrechen. Das Paar im Video, Gusztáv Hámos und Astrid Heibach, realisiert diese klassische Videoexperimentation der 80er Jahre auch als letzte Arbeit ihrer Beziehung.

Joerg Herold
Bewurstsein oder fuer alle ist gesorgt - Der Wurstfilm

Bei der Ausstellung "Bewurstsein oder fuer alle ist gesorgt" in der Leipziger Galerie EIGEN+ART reduzierte ich den Raum zur Huelle fuer ein einziges Kunstwerk: die Installation "Wurstmaschine". Damit verband ich die Ueberwaeltigung des Betrachters mit einem tiefen Sarkasmus. Das Objekt draengte den Besucher an den Rand, an die Mauer. Diese Installation liesse sich mit den Worten beschreiben: Es wird gepresst, gedrueckt, verheizt, gefressen. Als Kommentar zu dieser Installation drehte ich den "Wurstfilm". Dieser Film wurde anlaesslich der Ausstellungseroeffnung 1987 in den Raeumen der Galerie uraufgefuehrt.

Nan Hoover
Halfsleep

Mit Hilfe eines Makrobjektivs und der Zeitlupe untersucht Nan Hoover die Oberflaechenstruktur ihres Gesichts in Form einer dramatischen Inszenierung aus Textur und Licht. Fuer sie suggeriert diese Arbeit "zeitlose Momente eines Zwischenreichs, wenn unsere Wahrnehmung geschaerft ist, Geraeusche sich intensivieren und wir beinahe mikroskopische Wesen in unserem Inneren werden".

Felix Stephan Huber Philip Pocock Florian Wenz Udo Noll
A Description of the Equator and Some Ötherlands

"A Description of the Equator and Some Ötherlands" ist ein textgestuetztes, am Film orientiertes Internetprojekt, geschrieben und bearbeitet von den Besuchern sowohl der virtuellen als auch der tatsaechlichen documenta. Gemeinsam mit dem "Anwender" laden Hauptautoren oder Uebermittler fast taeglich Texte und bewegte Bilder ein, um ein Netz von untereinander verbundenen Filmen in einer globalen Kooperative von Autoren zu weben. "The Equator" ist die Fortsetzung von Huber und Pococks vorausgegangenen zwei Netzwerk-Kunstprojekten, "Arctic Circle" und "Tropic of Cancer". In beiden Faellen handelt es sich um tatsaechliche Reisen: als Wanderer durch Kanadas Norden im ersteren, als europaeische Kulturtouristen in Mexiko im letzteren. "The Equator" ist ebenso als eine Schleife aus Reisen-als-Kunst und Reisen-als-Information zu verstehen, hier jedoch eher ein Geflecht aus virtuellen Aufenthalten auf dem siebten Kontinent - dem Cyberspace.

Rebecca Horn
Memorial Promenade (Buster's Bedroom)

Der Film "Buster's Bedroom" handelt von zwei Frauen, von denen sich die eine freiwillig, die andere unfreiwillig ihrer Bewegungsfreiheit berauben. Die Schauspielerin Diana Daniels folgt der Anweisung eines von ihr geliebten Arztes, der ihre Liebe nicht erwidert, und nimmt freiwillig die Rolle der Gelaehmten an. Die zweite Hauptdarstellerin, Micha Morgan, befindet sich auf der Suche nach ihrem Idol Buster Keaton und wird von demselben Arzt in eine Zwangsjacke gezwungen. Ein zentrales Element dieses Films, der Rollstuhl, fuehrt heute ein Eigenleben als Objekt. Motorisiert, doch ohne Insasse, bewegt sich der Rollstuhl unaufhoerlich innerhalb einer auf dem Boden markierten Kreislinie. Offenbar voll verkehrstauglich ist der Rollstuhl ausgestattet mit Steuerung, Blinklichtern und Rueckspiegel. Ein beweglicher Greifarm, der an der linken Lehne angebracht ist, haelt ein Wasserglas und vollfuehrt damit eine Giessbewegung. An einer Wand haengt eine Zwangsjacke, die sich in unregelmaessigen Zeitabstaenden hebt und senkt. Rollstuhl und Zwangsjacke sind Motive aus "Buster's Bedroom". Erweiterung der Bewegungsfreiheit durch den Rollstuhl und Freiheitsentzug durch die Zwangsjacke treten in ein dialektisches Verhaeltnis. In der Rauminstallation entwickeln Rollstuhl und Jacke ein Eigenleben, das die Absenz des Menschen und zugleich seine elementare Verletzlichkeit zum Ausdruck bringt.

Barbara Aselmeier Joachim Blank Armin Haase Karlheinz Jeron
Handshake

Handshake, 1993 von Barbara Aselmeier, Joachim Blank, Armin Haase und Karlheinz Jeron gegruendet, war in Deutschland eines der ersten Kommunikationsprojekte unter Einbeziehung des elektronischen Netzwerks Internet. Als interaktive Rauminstallation realisiert, bildete es eine Schnittstelle zwischen elektronischem Netz und Lebenswelt. Vorbereitete Kommunikations- und Wahrnehmungsexperimente auf textueller, visueller und auditiver Basis verwiesen dabei auf kulturelle Eigenheiten und Gemeinsamkeiten der Partizipierenden. Handshake verstand sich als ein fortlaufender Prozess mit der Absicht, Verhaltensweisen von Menschen und Automaten in elektronischen Netzwerken zu beobachten.

Ute Hoerner Mathias Antlfinger
Possible Selves, computer aided story telling

"Possible Selves" ist ein Computerspiel, das am Schreibtisch eines Psychologen beginnt. Wer sich an dessen PC zu schaffen macht, erhaelt zunaechst Zugang zur Klientendatei, in der sich psychologische Gutachten und Fallbeschreibungen einer Gruppe von jungen Kuenstlern befinden. Auf dem Weg durch die Lebensgeschichten der Kuenstler erscheinen erste Hinweise auf eine zweite, verborgene Ebene. Sie enthaelt Sequenzen fiktiver psychologischer Interviews mit den Kuenstlern und Ausschnitte aus einer Diskussion ueber die Utopie der Kunst, die 1993 an der Kunstakademie Duesseldorf stattfand. Aus der Summe der Videoclips entsteht das dekonzentrierte Bild einer seltsamen Studie ueber die Persoenlichkeitscharakteristika junger Kuenstler am Ausgang des 20. Jahrhunderts. In dieser Umgebung ist guter Rat teuer. Timothy Leary leistet Hilfestellung: In Gesalt eines Philosophen des alten China kommentiert er die Verwirrungen dieser ersten "nachlarvalen" Generation (jene, die zwischen 1945 und 1970 geboren sind) aus der Sicht der Exo-Psychologie.

Stephan von Huene
TischTaenzer

Im Installationsraum befinden sich vier computergesteuerte Skulpturen aus Holz und Metall lebensgrosser maennlicher Unterleiber, die auf Sockel montiert sind. Drei der Skulpturen sind mit Anzughosen und Schuhen bekleidet, eine ist bis auf die Schuhe "nackt" und legt so ihr mechanisches Inneres offen. An der Wand hinter den Mannequins haengen 14 Zeichnungen von maennlichen Unterleibern, die an Modezeichnungen erinnern. Betritt der Betrachter den Raum, setzen Sensoren die Beine langsam in Bewegung, die einen immer schneller werdenden Stepptanz auffuehren. Begleitet werden ihre Bewegungen von Musik George Bizets und Georg Friedrich Haendels. Gleichzeitig hoert man die Stimmen amerikanischer Politiker. Die tanzenden Beine der maennlichen Mannequins inszenieren eine gespenstische Situation, in der selbst die Zeichnungen an den Waenden zum Leben zu erwachen scheinen.

Res Ingold
Ingold Airlines

Die Fluggesellschaft "Ingold Airlines" des schweizer Kuenstlers Res Ingold wurde 1982 gegruendet und seither konsequent ausgebaut - bis hin zur Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1996. Das fiktive Unternehmen mit Sitz in Koeln orientiert sich hart an der Wirklichkeit: Das Angebot - z.B. Fluggastbegleitung, VIP-Service, Mitgliederclub, Cargo-System und Shuttleservice - schlaegt sich in einer perfekt konzipierten Corporate Identity nieder, die in Galerien, bei Aktionen und auf Messen praesentiert wird. Nicht Passagiere, sondern Ideen sind das wichtigste Umschlagsgut. Die Frage nach dem Realitaetsgrad und der Zugehoerigkeit von "Ingold Airlines" zu Kunst oder Wirtschaft ist nicht eindeutig zu beantworten: Wirklichkeit entpuppt sich als potentiell simuliert, und Simuliertes wirkt auf Reales zurueck.

-Innen: Cornelia Sollfrank Janine Sack Korinna Knoll Ellen Nonnenmacher
Narzissmus in den Medien am Beispiel Fernsehen

Ausgehend vom Mythos von Narziss und dessen Uebertragung auf das Subjekt und seine Beziehung zum Medium verarbeitet die Hamburger Kuenstlerinnengruppe -Innen ihre Thesen zum Thema Fernsehen diesmal im Medium selbst. Anders als in der Multimedia-Performance ("Narzissmus in den Medien am Beispiel Fernsehen 1.1 Das Begehren", Hamburg, Muenchen, Zuerich 1993-94) werden diese nicht theoretisch-didaktisch vorgefuehrt, sondern sind zu Fernsehbeitraegen verarbeitet, konkret: zu Game-Shows. Das "Narzissmusspiel", das "Ich-Idealisierungsspiel", das "Traumaspiel" und das "Enttaeuschungsspiel" bieten den AnruferInnen vorgefertigte Antworten, aus denen dann im Multiple-choice-Verfahren ausgewaehlt werden muss. Waehrend der Game Shows werden vorproduzierte Computeranimationen, Werbetrailer sowie eine eigens komponierte Geraeusch-Musik-Ebene ins Studio eingespielt.

Gábor Bódy
Infermental

"Infermental" war das erste internationale Magazin auf Videocassetten, das Kunstwerke oder Teile von diesen, Trailer und interessante Berichte in 1- bis 20-minuetiger Laenge aus allen Winkeln der Welt veroeffentlichte. Das Magazin erschien einmal jaehrlich in einem Gesamtumfang von 4-6 Stunden und wurde an einem jeweils anderen Ort der Welt kompiliert und ediert. Von Berlin (West) 1982, der ersten von Gábor Bódy, der 1980 das Projekt als "international recorded imagery project" initiierte, und Astrid Heibach edierten Ausgabe, die anlaesslich der Berliner Filmfestspiele auf der grossen, elektronischen Werbetafel am Berliner Kurfuerstendamm publik gemacht wurde, bis zur letzten Ausgabe 1991 aus Skopje und Osnabrueck wurden insgesamt 660 Arbeiten zusammengetragen. "Infermental" sollte kein Festival und auch keine Galerie sein, sondern ein "kursierender Infospeicher" (Oliver Hirschbiegel), der auch Ausschnitte, Dokumente und Ereignisse nach thematischen und geistigen Kontexten buendelte.

Barbara Aselmeier Joachim Blank Armin Haase Karlheinz Jeron
Internationale Stadt

Ende 1994 gruendete sich die Internationale Stadt Berlin (IS) mit dem Ziel, als unabhaengiger Internetprovider kulturellen Projekten die Praesenz im Internet zu erleichtern. Die 7 Initiatoren kamen aus der Hacker- und der Medienkunstszene (z.B. Handshake). Die IS entwickelte einfach zu bedienende Tools (die z.B. die Integration von "alten", staerker auf Kommunikation angelegten Internetdiensten [e-mail, irc, newsgroups] in das WWW ermoeglichten) und bot guenstige Internetzugaenge (fuer bis zu 300 "EinwohnerInnen") und Serverplatz fuer eigene Experimente an. In den drei Jahren ihrer Existenz entwickelte sich die IS zu einem Zentrum fuer kuenstlerische Aktivitaeten im Internet: die Mehrzahl der fruehen Netzkunstprojekte in Deutschland waren hier angesiedelt. Finanziert wurde die Infrastruktur durch kommerzielle Projekte (Web-Dienstleistungen).

Christian Jankowski
Let's get physical / digital

"Wie erscheine ich Dir in diesem Medium. Findest Du hier Eigenschaften, die Du schon von mir kennst?" fragt Christian Jankowski im Verlauf seines einwoechigen Liebes-Chats im Web, mit dem er das Medium auf seine Liebestauglichkeit erkundet. Kommunikation ist der Ausgangspunkt fuer eine Arbeit, die Moeglichkeiten so disparater Medien wie Internet, Video, Installation, Katalog und Performance nutzt und auf ihre Gueltigkeit - in sichtbarer Relation zueinander - befragt. Von seiner Freundin Una, die in Mailand arbeitet, getrennt, richtete Jankowski 1997 einen Chat-Raum im Netz ein, in dem sie sich taeglich trafen: Das Thema Raum ist dabei zentraler Bezugspunkt der Gedanken der Liebenden. Taeglich entwerfen Una und Christian einen Ort der Erfuellung, der in Ausstattung und Funktion verbunden ist mit den Sehnsuechten und Visionen von Zweisamkeit: Eine "Bauchtanzecke", das "Bed of Cream" - sofort begann Jankowski mit der Realisation der ertraeumten Interieurs. Die Wunschliste der benoetigten Requisiten veroeffentlichte er im Internet, alles musste ueber das Web beschafft werden. Die taeglichen Dialoge waren im Netz oeffentlich zugaenglich.

Hartmut Jahn
Deutsch-deutsche Fragmente

Eine experimentelle Bearbeitung der deutsch-deutschen Beziehungen in den 50er und 60er Jahren. Auf der inszenierten Ebene des Videos fuehren zwei identisch aussehende Maedchen Hand in Hand durch eine Collage deutsch-deutscher Bildwelten: das Brandenburger Tor, nostalgisch wirkende Verpackungen der 50er Jahre von Konsumartikeln aus Ost und West, die Mauer sowie Fernsehbilder von Staatsmaennern wie Nixon, Ullbricht, Brandt und Erhard. Zum skurrilen Teil des Videos gehoert die Enthuellung des PappmachÉ-Charakters von Teilen der Grenzbefestigungen auf der Ostseite der Mauer. Das durch das Geschwisterpaar eingefuehrte Doppelmotiv wird auch stilistisch aufgenommen - wie etwa durch gespiegelte Bild-in-Bild-Montagen oder die musikalische Konfrontation eines neuinterpretierten Schlagers.

Kirsten Johannsen
Das Konzert des Aeon

Mit Stahlseilen an Decke und Boden verspannt, haengen in "Das Konzert des Aeon" hinter kreisrunden Vergroesserungslinsen fuenf kleine LCD-Bildschirme im Raum. Ihre Anzahl leitet sich ab von der Pentatonik, die sich auf fuenf Toene in den Oktavzwischenraeumen beschraenkt und zugleich die Basis der im Ausstellungsraum zu hoerenden, frueher als goettlich geltenden Glasharfenmusik darstellt. Als visuelle Verbindung zur kosmischen Hintergrundstrahlung des Universums, das als Folge des Urknalls sich wie ein aufgeblasener Ballon in alle Richtungen ausdehnt, zeigt Kirsten Johannsen auf den LCD-Monitoren schwarzweisse Lichtpunkte, das "weisse Rauschen", das noch immer mit (nichtverkabelten) Fernsehern, empfangen werden kann. Die Arbeiten Kirsten Johannsens umkreisen das Fliessen, Verfluechtigen, aber auch Erstarren und die Unendlichkeit der Zeit. Persoenliche Geschichte, die Auseinandersetzung mit der Natur sowie Fragen nach der Gueltigkeit eines physikalisch-linear Zeitverstaendnisses bilden in ihren Arbeiten die Schnittstelle, an der sie eine poetische Visualisierung der Zeit entfaltet.

KP Ludwig John Bertram Quosdorf
Otto Mops (trotzt)

Ein Spiel - und doch wieder nicht, jedenfalls aehnelt es keinem bekannten Spiel. Es variiert Vorlagen Ernst Jandls, regt zur Nachahmung an, animiert zum Ausprobieren, Experimentieren und Entdecken - und auch zur Auseinandersetzung mit der Sprache. Auf der Basis des Gedichtes "Niederzaehlung" wird der Nutzer zu Beginn nach seinem Geburtstag gefragt. Ab dann wird im Lauf des Spiels die eigene "Lebenszeit" bis zum Zeitpunkt der Zeugung "niedergezaehlt." Bei Null ist das Spiel vorbei. Allerdings ergibt sich im Laufe des Wettstreits gegen die Zeit haeufig Gelegenheit zum Abschwefien und Ausruhen: Hinter "Loesungswoertern" verbergen sich Raetsel und Variationen der Gedichte Ernst Jandls.

Rolf Julius
Konzert fuer einen gefrorenen See

"Konzert fuer einen gefrorenen See" oder auch "Musik fuer einen gelben Raum" - Rolf Julius bezieht akustische und visuelle Koordinaten in seine installativen, synaesthetischen Konzepte ein. Fern von aufwendiger Elektronik arbeitet er mit einfachen Dingen und Geraeuschen des Alltags, einem aesthetischen wie akustischen Minimalismus unter einfachstem Einsatz von Cassetten und Lautsprechern, die eine konzentrierte Wahrnehmung bewirken: "Mehrere Lautsprecher spielen die Musik fuer den gefrorenen See. Ich hoffe, dass der See selber Musik wird." (Rolf Julius) Das Konzert mit einer Klavierkomposition wurde von der Polizei wegen angeblicher Ruhestoerung vorzeitig abgebrochen.

Karl Kels
Endlosprojektionsmaschine

Karl Kels macht in seiner "Endlosprojektionsmaschine", ausgestattet mit einem alten Kinoprojektor und einer Apparatur von Endlosschlaufen, die gegenlaeufig von oben nach unten und unten nach oben den Film transportieren, die Praesentation des Zelluloids zu einem integralen Bestandteil einer skulpturalen Filminstallation. Die archaische Mechanik - mit einem Kippschalter kontrolliert der Zuschauer das An und Aus der Apparatur - verweist auf eine Form von Nostalgie, aber auch Widerstaendigkeit, mit der auch die juengere Generation von Experimentalfilmern fuer eine ganzheitliche, kuenstlerische Haltung jenseits oder auch kontraer zur fortschreitenden Digitalisierung unserer medialen Gesellschaft eintritt.

Annebarbe Kau
o.T. "kryptisch", ZKM

Ein an Drahtseilen im Raum verspannter Monitor bekommt in dieser schwebenden Situation ein unerwartetes Gewicht. Seine Zentrierung im Raum laesst dabei sowohl den Raum in Funktion des elektronischen Kastens erscheinen, als auch eine energetische Situation vermuten, die nur unter starker Spannung im Lot gehalten werden kann. Dies mag eine kritische Lesart implizieren in bezug auf die Medialisierung unserer Innenraeume durch das Fernsehen, andererseits suggerieren die eher meditativen, fliessenden Bilder und Impressionen, verbunden mit ebenso fluechtigen Toenen und Geraeuschen, eine auch positive Energie zur kontemplativen Zentrierung des Zuschauers. Das Video ist als Loop geschnitten, der jedoch bei laengerer Aufmerksamkeit Verschiebungen und Differenzen erkennen laesst.

Dieter Kiessling
Two Cameras

Die Videokameras nehmen sich gegenseitig auf und uebertragen die Bilder zu den Monitoren. Die Entfernung beider Kameras voneinander ist jedoch zu gering, um eine scharfe Abbildung zu ermoeglichen. Da bei beiden Kameras die Autofocusfunktion eingeschaltet ist, versuchen sie dennoch staendig, durch Veraenderungen der Objektiveinstellungen sich gegenseitig scharf abzubilden. Die andauernde Variation der Objektiveinstellungen bewirkt, dass die Kamerabilder auf den Monitoren ihre Schaerfe und auch ihre Groesse staendig aendern. Die Geraeusche des Autofocussystems werden verstaerkt und sind ueber die Lautsprecher der Monitore hoerbar. Diese Closed-circuit-Installation demonstriert noch einmal die analytische, kuenstlerische Arbeitsweise Dieter Kiesslings, die spezifischen Eigenheiten, Qualitaeten oder Fehler eines Mediums als System offenzulegen.

Richard Kriesche
Ewiges Licht

Obwohl Kriesche selbst die Arbeit "Ewiges Licht" als Medienskulptur bezeichnet, handelt es sich eher um eine Vorfuehrung oder Aktion im oeffentlichen Raum. Zur Eroeffnung der Berliner Funk-Ausstellung 1983 installierte Kriesche einen Eisentraeger vertikal im Boden, auf dem sich horizontal eine zweite Eisenstange befand, die schwebend die Waage hielt. Auf der einen aeusseren Seite dieser Stange war ein Monitor angebracht, auf der anderen Seite befand sich eine mit Oel gefuellte Tonne. Das Oel wurde entzuendet und die Flamme, die von einer Kamera aufgenommen wurde, erschien im Closed-circuit-Verfahren auf dem Monitor. Der Verbrennungsprozess des Oels, der eine Gewichtsveraenderung bewirkte, fuehrte letztlich zu einem Verlust des Gleichgewichts und zum Zerschellen des Monitors auf dem Pflaster des Kurfuerstendamms. Dieser Vorgang wurde von einer zweiten Kamera aufgezeichnet. Obwohl das fragile Gleichgewicht zwischen realer Flamme und elektronischer Flamme, die Kriesche in seiner Arbeit miteinander konfrontierte, nicht lange aufrechterhalten werden konnte, triumphiert am Ende die Fernsehtechnik, die Zeuge des gesamten Vorgangs bleibt und diesen fuer die Nachwelt speichert.

Juergen Klauke
Formalisierung der Langeweile

In dem mehrteiligen Werk "Formalisierung der Langeweile", das neben dem Videotape aus Zeichnungen, Grossfotos, Fotosequenzen, einer Performance und einem Film besteht, kommen wesentliche Motive aus Klaukes bisherigem Werk zusammen. Leitmotive des Tapes sind zwei paarweise aufgestellte Stuehle und ein umgedrehter Eimer. Drei Protagonisten, eine nackte Frau und zwei angezogene Maenner, fuehren rituelle Handlungsfragmente auf, die aber keine Gemeinsamkeit zwischen ihnen herstellen. Auch das Fernsehprogramm ist nicht in der Lage, die Einfoermigkeit der Szenen zu durchbrechen. Es scheint im Gegenteil, die Vereinzelung der Darsteller zu betonen. Das Werk "Formalisierung der Langeweile" gilt als Markstein in Klaukes Schaffen. Es markiert das Ende seiner narzisstischen Selbstbespiegelung und kuendigt eine zunehmende Oeffnung zur Gesellschaftsdiagnose an.

Kain Karawahn
this is an emergency / Notfall

Den "Flammentod" einer Kamera exerziert Kain Karwahn in einer Aktion am 19.2.1988 im Rahmen des VideoFilmFests Berlin. Einen auslaufenden Benzinkanister in Haenden rennt er entlang einer brennenden Strecke auf das Auge einer Videokamera zu und uebergiesst sie. Letzte feurige Bilder, dann nur noch Streifen zeichnet das Objektiv auf, die das Band in slow motion wiedergibt, ehe das Bild schwarz wird. Zu hoeren ist noch fuer eine kurze Zeit das "sterbende" Roecheln der Kamera, die ihr eigenes Ableben aufnimmt. Aehnlich beklemmende "Exekutionen" von Kameras finden 1991 in "Tod einer Videokamera II" durch Plattwalzen und 1994 in "Magischer Schnittplatz" durch Zersaegen statt.

Michael Klier
Der Riese

Ein unkonventionell montierter Essayvideo ueber die Videoueberwachung im oeffentlichen Raum. Das Video verwendet dokumentarisches Material aus ferngesteuerten Ueberwachungskameras von oeffentlichen Strassen, Plaetzen, Einkaufspassagen und Transitraeumen wie Flughaefen und Bahnhoefen sowie Aufnahmen aus Banken, Kaufhaeusern, Supermaerkten und privaten Gelaenden und Gebaeuden. Durch die Verknuepfung verschiedener Aufnahmen im realistischen Stil entsteht der Eindruck eines zentralen Ueberwachungsapparates als anonymes, maechtiges Subjekt, das allgegenwaertig alles sieht, aber selbst nicht gesehen werden kann.

Mischa Kuball
Tower of Power

Die funktional reduzierte Betonarchitektur eines Brauereigebaeudes diente Kuball vielfach als Unter- und Hintergrund fuer raumbezogene Projektionen mit weissem Licht (Musik: N-Tribe/ Steve Baltes/ Harald Grosskopf). Die gezielt im Treppenhaus oder in Fluren gesetzten geometrischen Figuren oder abstrakt wirkenden Buchstaben verbanden sich in ihrer Gesamtheit zu einer Arbeit, die als immaterielle Wandmalerei eine Sphaere zwischen dem Inneren der Raeume und der begrenzenden Mauer besetzt: Vor allem die von einer verspiegelten, bodennah unter einem Treppenabsatz installierten Disco-Kugel projizierten Lichtflecke thematisierten Ausdehnung und Begrenzung als architektonische Grundfrage. Videoarbeiten, in denen Kuball, ausgehend von manipulierten Leuchtreklamen, ein strahlendes Alphabet von Schrift im oeffentlichen Raum buchstabiert, wurden im Rahmen des komplexen Gefueges auf Einzelmonitoren vorgefuehrt.

Edmund Kuppel
Wenn das Meer den Himmel ersetzt

Wie eine Skulptur aus Zelluloid haengt 2 m vor der Fotosequenz parallel zu ihr, in Form und Groesse mit ihr identisch, eine 35mm-Filmschleife. Sie laeuft durch den am Boden (Talsohle) stehenden Filmprojektor und wird durch Handkurbelbetrieb rechtwinklig zur Installation projiziert. Das Dreieck der "Filmskulptur" veranschaulicht den Dreieckskurs der Kamerafuehrung, die zu den Filmbildern fuehrte. Bei den Filmaufnahmen war der Bildausschnitt parallel zur Schraege der Abhaenge des Taleinschnitts justiert, die dadurch in der Projektion horizontal erscheinen - zum Horizont werden, auf dem jedoch nicht der Himmel ruht sondern das Meer sich bewegt.

Knowbotic Research
Dialogue with the Knowbotic South

Die Gruppe Knowbotic Research entwickelt seit Anfang der 90er Jahre Datenraeume, in denen die Besucher abstrakte visuelle und auditive Strukturen neuordnen koennen. In "Dialog with the Knowbotic South" verwenden sie Daten von verschiedenen antarktischen Forschungsstationen. Die Besucher bewegen sich mit einem Taster durch Klaenge und visualisierte Daten (sog. "knowledge robots"), die auf Projektionsflaechen erscheinen. Das Suedpolargebiet dient hier als Modell eines relativ unerforschten Naturraums, der keine Zivilisationsgeschichte im eigentlichen Sinne besitzt, sondern vor allem durch technische Messstationen verortet ist. In der Interaktion entsteht ein dynamischer Wissensraum, ein hypothetisches Modell einer erweiterten Natur, der eine neue aesthetische Referenz bekommt.

Christina Kubisch
Klang Fluss Licht Quelle - Vierzig Saeulen und ein Raum

Die Tiefgarage am Potsdamer Platz in Berlin wird charakterisiert durch eine ca. 200 m lange Flucht mit zwei den Raum links und rechts durchziehenden, freistehenden Saeulenreihen. Die Saeulen sind das tragende Gestaltungselement der Installation. An jeder Saeule sind direkt unterhalb der Decke, rundumlaufend wie ein Fries, UV-Lichtroehren (Schwarzlicht) befestigt. Jede der 40 Saeulen wurde mit einem elektrischen Kabel spiralfoermig umwickelt. Form, Dichte und Richtung des Verlaufs sind bei jeder Saeule verschieden. Das Kabel ist mit phosphoreszierender Farbe bemalt, die durch das Schwarzlicht aktiviert wird und so im Dunkeln gruen leuchtet. Die Kabel wirken wie Pflanzen, die aus dem Untergrund zu wachsen scheinen. Die elektrischen Kabel sind nicht nur visuelles Element, sondern vor allem Tontraeger. Jede "Kabelsaeule" ist Sender einer spezifischen Klangfolge. Gemeinsam ist allen, dass sie vom Element Wasser abgeleitet wurden. Sprudelnde, stroemende, rieselnde, tropfende, fliessende Klaenge ergeben eine unterirdische Wasserwelt, die hoerbar wird mit Hilfe von elektromagnetischen, kabellosen Induktionskopfhoerern, die es dem Besucher ermoeglichen, sich frei im Raum zu bewegen. Je nach Standort oder Bewegungsablauf empfaengt er verschiedene Klaenge, so dass sich ganz individuelle Folgen von Klaengen ergeben.

Werner Klotz
Boreas

Die Videoinstallation leitet ihren Namen von Boreas, dem Gott des Nordwindes in der griechischen Mythologie ab. Bei diesem System werden die von einem Amonemeter (Windmesser) gemessenen Windbewegungen ausserhalb eines Raumes in eine vertikale Rotationsbewegung einer Videokamera im Innern eines Raumes uebertragen. Kamera und Amonemeter sind durch eine durch die Fensterscheibe fuehrende mechanische Konstruktion miteinander verbunden. Die Steuerungselektronik und ein Windmessinstrument - was die Windbewegungen visualisiert - sind in einer Medex-Box im Innern eines Raumes. Das System setzt bei Windbewegungen von 5 Meilen pro Stunde ein und wird bei 24 Meilen pro Stunde (mittlere Sturmstaerke) blockiert. Je mehr Wind draussen gemessen wird, je schneller rotiert die Kamera innen. Worauf die Kamera im Raum fixiert wird und wie die Monitore, die den Effekt uebertragen, angeordnet sind, ist variabel.

Ingo Guenther Norbert Meissner Joerg Seyde
Kanal X, Piratensender

Joerg Seyde und Norbert Meissner in einem Interview fuer die ARD. Norbert Meissner studiert den gerade live per Fax eigegangenen Vertragsentwurf von RTL fuer eine Sendelizenz. Ingo Guenther hoffte, dass Kanal X als Modell fuer aehnliche Buergersender in der DDR und Osteuropa wirken koennte. Im wiedervereinigten Deutschland wird jedoch ein kleines Unternehmen daraus, dass den ehemaligen Piratenstatus in eine offizielle Sendelizenz verwandeln will, jedoch nach vielen Verhandlungen schliesslich doch scheitern wird.

Antal Lux
Die Flucht

Bilder eines Fliehenden, laufende Beine werden mit der Kamera verfolgt. Alles ist von einer grell verfremdeten Farbigkeit und wird begleitet von Schuessen, dem Geraeusch laufender Schritte und hallenden Rufen. Kurze authentische Zwischenbilder verdeutlichen die Situation der Bedrohung - ein Gewehr, ein Panzer, sich drehende Radarschirme. Nach sich endlos hinziehender Flucht taucht eine Mauer auf, die ueberstiegen wird. Ziel und Erfolg der Flucht bleiben ungewiss.

Christin Lahr
[DPsNtN] = DISPLACEDPERSONS say NOTHING to NOBODY

Das gesamte Geschehen kann im World Wide Web mit distanziertem Blick verfolgt werden. Live-Bilder von 5 im Environment positionierten Ueberwachungskameras koennen auf der Website der Arbeit aufgerufen und eine der Kameras auch mit Navigationstools ferngesteurt werden. Je nach Situation praesentieren sich entweder ein leerer Raum oder "lebende Fossile". Die Website der Installation, ausserhalb des Installationsraums ausgestellt, macht ueber eine Projektion die jeweils angewaehlte Kamera auch raeumlich sichtbar. Es koennen ausserdem ueber ein Textfeld Eingaben gemacht werden, die mit Hilfe eines Sprachsynthesizers aus einem der Lautsprecher in der Installation gesprochen und in den vorgefertigten "Polylog fiktiver Identitaeten" integriert werden.

Eric Lanz
Les habits - Genres

"Les habits: Genres" zeigt als Videoprojektion verschiedene Kleidungstuecke nebeneinander angeordnet. Ein fiktiver Benutzer (ebenfalls eine Projektion, etwa lebensgross) agiert im virtuellen Raum hinter der Projektionsflaeche stellvertretend fuer den Betrachter: Er waehlt durch Gesten immer neue Kleider aus, die an entsprechender Stelle vor seinem Koerper projiziert erscheinen. Dazwischen ruft er kurze Videosequenzen ab, in denen das jeweilige Kleidungsstueck tatsaechlich an einem Koerper anprobiert wird. Erst hier wird die Stofflichkeit erkennbar, werden die verschiedenen Materialien unterscheidbar.

J.M. Laurids Chris Mattheus AndrÉ Korpys Markus Loeffler Marcus Kaiser
Sammelstelle

Waehrend der Medienkunstschau "Multimediale 4" des Zentrums fuer Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe wird auf dem benachbarten Festplatz ein roter Container (3 x 3 x 12 m) mit der Aufschrift "Sammelstelle fuer Alt-Fernseher" aufgestellt. Durch Plakate, Wurfzettel und Bekanntmachungen in der lokalen Tagespresse wird die Bevoelkerung darauf aufmerksam gemacht, dass im angegebenen Zeitraum eine Sammlung kaputter Fernsehgeraete stattfindet. Simultan zur Eroeffnung der "Multimediale 4" wird auch die "Sammelstelle" eroeffnet. Schon vor Beginn der Aktion werden ca. 20 Fernsehgeraete auf dem Festplatz abgestellt. Die "Sammelstelle" ist einem realen Wertstoffsammelplatz detailgetreu nachempfunden. Bereits am ersten Tag werden 183 Fernsehgeraete abgegeben. (...) Am zweiten Tag muss der Container schon nach 3 Stunden wegen Ueberfuellung geschlossen werden. 240 Fernseher wurden bis zu diesem Zeitpunkt abgeben. Weitere Anlieferer werden nun an Ausweichdeponien verwiesen. In der lokalen Tagespresse wird die Meldung, dass die "Sammelstelle" wegen Ueberlastung geschlossen bleiben muss, veroeffentlicht. Nach kurzer Diskussion erklaert sich das Amt fuer Abfallwirtschaft der Stadt Karlsruhe bereit, die Finanzierung eines weiteren Containers zu uebernehmen. Der zweite Container wird in den folgenden drei Teilen ebenfalls restlos gefuellt. An fuenf Tagen werden 476 Fernseher abgegeben. Auf dem Werksgelaende einer Recycling-Firma werden die Geraete anschliessend manuell und maschinell zerlegt. Aus den Einzelteilen werden die Rohstoffe Glas und Kupfer sowie verschiedene Kunststoffe in Granulatform gewonnen.

Via Lewandowsky
Report - Kommentar ueber einen Kommentar - Titus

Der Vorspann des Films nimmt explizit Bezug auf Heiner Muellers "Anatomie Titus Fall of Rome, ein Shakespeare-Kommentar". Lewandowskys "Report" ist eine Collage ueber die Erotik der Macht. Der Film besteht aus 4-5 Grundmotiven, die sich in zyklischer Montage wiederholen. Unterlegt mit martialischer Industrial-Musik, werden Fernsehbilder von Politikern und kirchlichen Wuerdentraegern, der Nationalen Volksarmee, militaerischen Kampfjets und Abrissbirnen aneinandergeschnitten. Immer wieder wird das Bild einer Frau eingeblendet, die ihre Brueste entbloesst. Unter den "Autoperforationsartisten" war es vor allem der Dresdner Kuenstler Via Lewandowsky, der seit 1985 mit Film arbeitete.

Gordon Monahan
Speakers' Swinging

Gordon Monahan sieht diese Konzertperformance als ein Hybrid mit bildhauerischen, installativen und andererseits performativen, athletischen Aspekten "wegen der Koerperlichkeit der schwingenden Boxen und weil dazu Schweiss, Schwerstarbeit und Sturheit erforderlich sind". Die enge Verbindung mit der Tradition der Fluxus-Performances, die ebenfalls auf einem einfachen Konzept beruhten, hier das Schwingen der Lautsprecher, ist jedoch verbunden mit Monahans Interesse, "technische Situationen live zu inszenieren, bei denen die Leute ihre Aufmerksamkeit auf Dinge wie die Bewegung des Sounds im Raum konzentrieren und wie physikalische Gesten die Sounds erzeugen".

Matthias Mueller
Home Stories

Eine Collage aus Hollywood-Melodramen der 50er und 60er Jahre - vom Fernsehgeraet abgefilmt. Immer wiederkehrende Suspense-Motive und Handlungsklischees erlauben es, Szenen aus verschiedenen Filmen mit unterschiedlichen Protagonistinnen nahtlos ineinander uebergehen zu lassen: Unruhiger Schlaf, Aufstehen, Lauschen an der Tuer, Lichteinschalten, Erschrecken etc. Die Bewegungen und Gesten der Darstellerinnen - Stars wie Lana Turner, Tippi Hedren und Grace Kelly - wirken in der Montage choreografiert und aufeinander abgestimmt. Die Vertonung (Dirk Schaefer) unterstuetzt dies durch verbindende Klangpassagen, die den Stereotypen des Genres nachempfunden sind. Die Bearbeitung verdichtet den dramatischen Umschlag vom Heimischen zum Unheimlichen und zeigt, wie Frauen zum voyeuristischen Opfer des filmischen Blicks werden.

Inke Arns, Tilman Baumgaertel, Andreas Broeckmann, Florian Clauss, Martin Conrads, Vali Djordjevic, Micz Flor, Golo Foellmer, Volker Grassmuck, Ulrich Gutmair, Anja Heilmann, Joerg Koch, Geert Lovink, Diana McCarthy, Ellen Nonnenmacher, Thorsten Schilling, Stefan Schreck, Pit Schultz, Cornelia Sollfrank
mikro e.V.

Mikro e.V. ist eine Berliner Initiative zur Foerderung von Medienkulturen, die als offene und unabhaengige Plattform und als ein interdisziplinaeres Forum fuer eine kritische inhaltliche Auseinandersetzung mit den kulturellen, sozialen und politischen Konsequenzen steht, die sich aus dem Einsatz neuer Medien und Technologien ergeben. Die monatlich im WMF Club stattfindenden "mikro.lounges" widmen sich unterschiedlichen Themen (von Copyright-Fragen ueber Kryptografie bis zu "Geschlecht im Netz") und kombinieren Videovorfuehrungen, Vortraege, Podiumsdiskussionen und DJ-Sets. Die "net.radio days Berlin" im Juni 1998 wurden von mikro e.V. und convex tv. organisiert und brachten internationale VertreterInnen der Net.radio-Szene zusammen.

Manon P. Duursma, Susanne Kuhnke, Christine Hahn
Malaria / Geld - Money

Die aus der Berliner Musikszene stammende Frauenband Malaria verkoerpert den Zeitgeist der 80er Jahre in diesem experimentellen Videoclip. Androgynitaet, Verwischung von Geschlechteridentitaeten, Protesthaltungen neben stilisierten Attitueden, gepaart mit einem Sensorium fuer dramatische Effekte gehoerten zum Repertoire dieser Gruppe zwischen "Neuer Deutscher Welle" und Punk. Die Anleihen bei der experimentellen Filmkunst sind ihnen offensichtlich wichtiger als ein perfekt produzierter Promotionvideoclip. Malaria ist fuer Maedchenbands und Girlpower ein wichtiges fruehes Vorbild.

Bjoern Melhus
No Sunshine

In einem von Musikvideo- und Werbefilmaesthetik gepraegten Video spielt Melhus vier identisch aussehende Personen, die in kurzen Pop-Song-Phrasen im Duett, miteinander, gegeneinander und direkt der Kamera zugewandt kommunizieren. Es sind infantile Koerper, die in einem virtuellen Raum zu schweben scheinen, der zugleich ihre eigene Innenwelt ist. Komplett rot eingefaerbt mit kuenstlichen Haaren und in hautengen Anzuegen, erinnern sie an menschliche Clones in Science-fiction-Fernsehserien. Selbstverliebt und geschlechtsneutral beobachtet und kommentiert das eine Paar mit aufgeregt kindlich-naiver Stimme das andere - aeusserlich identische - Paar, das offenbar schlimme Dinge miteinander treibt, aber als obskures Objekt verdraengter Sehnsuechte eine unbekannte, gefaehrliche Attraktion ausuebt.

Didi Danquart, Bertram Rotermund, Wolfgang Stickel, Ursula Hartenstein
Medienwerkstatt Freiburg

Die Medienwerkstatt, aus dem Umfeld der Anti-AKW-Bewegung und der Hauserbesetzerszene 1978 in Freiburg gegruendet, um Medienarbeit und politische Arbeit zu verbinden, produziert und verleiht bis heute engagierte Dokumentarfilme und Videos. Das jaehrliche Freiburger Festival Video-Forum wurde von der Medienwerkstatt gegruendet, um dem politischen wie kuenstlerischen Dokumentarismus eine kritische Plattform zu geben. Aktive Mitglieder waren u.a. Didi Danquart, Bertram Rotermund, Wolfgang Stickel, Ursula Hartenstein ("Video-Forum").

Franziska Megert
Arachne-Vanitas

Die Arbeit gehoert mit "Das Spiel mit dem Feuer" (1989) und "Philemon und Baucis" (1993) zu einer Trilogie mit je gleichem Aufbau - 2 Tuerme aus 3 aufeinander gestapelten Monitoren. In der Gegenueberstellung von Menschenpaaren thematisieren die Arbeiten physische Veraenderlichkeit und die nur in der Immaterialitaet der uebereinandergeblendeten Videobilder aufhebbare Distanz zwischen Koerpern. Im Ineinanderfliessen der Bilder einer alten und einer jungen weiblichen Gestalt in "Arachne-Vanitas" verlieren diese ihre konkrete Koerperlichkeit, wird ihre physische Vergaenglichkeit betont. Der "Vanitas"-Gedanke weist vor allem im Barock auf die Scheinhaftigkeit allen Seins. Zugleich spielt die Arbeit auf den antiken Mythos der Arachne an, einer geschickten Weberin, die sich ein Liebesabenteuer der Goettin Athene als Motiv einer ihrer Handarbeiten waehlte und von ihr fuer diesen Hochmut zur Strafe in eine Spinne, ein scheinbar alterloses Tier, verwandelt wurde.

Helmut Mark
o. T. Videoskulptur

Eine aus Beton gegossene Plastik und ein kleiner Monitor: Der Kontrast zwischen dem schweren Material und dem immateriellen Computerbild aus einer Abfolge von Rechtecken wird durch die skulpturale Gesamtform zusammengehalten. Statik des Materials und Berechenbarkeit des Bildes stehen in einem Wechselverhaeltnis wie Standbein und Spielbein einer klassischen Aktfigur. Und wird nicht fast alles, was heute in Beton gebaut wird, zuvor auf einem Bildschirm berechnet?

Yana Milev
Projektionsforum III

Yana Milevs Projekt fuer die documenta X basiert auf ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema "Urbanisierung". Ueber eine rotierende, in der Mitte des Raumes plazierte Maschine werden Dias von aufgerissenen Landschaften der Berliner Baustellen projiziert. Die Projektion durchdringt in Kopfhoehe als horizontal gleitendes Lichtfeld den Raum und tastet als radiales Filmfries die Waende ab. Treffen die projizierten Bilder auf die Waende ("public border"), bleiben sie unscharf. Unter Zuhilfenahme von runden "Einweg-Handy-Screens" koennen sie jedoch von den Besuchern auf der Grenze zwischen oeffentlichem und privatem Raum fokussiert und somit sichtbar gemacht werden ("private border"). Nach der Benutzung koennen die Besucher ihre "Handy-Screens" mit Daten und Informationen versehen am A.O.B.B.M.E.-Checkpoint hinterlassen.

Marc Weis Martin De Mattia
M+M / Call an Artist

Nicht Call-Girl oder "Call a Pizza", sondern "Call an Artist": M+M arbeiten ironisch mit der Erwartungshaltung einer Dienstleistung, der sich die Kuenstler offensichtlich entziehen. Das Telefonnetz erweist sich in dieser fruehen Arbeit des Kuenstlerduos M+M (Marc Weis und Martin de Mattia) als ein virtueller Raum selbstbezueglicher Texte, als ein undurchsichtiger telematischer Text-Raum. Auf 10 Anrufbeantwortern in unterschiedlichen Institutionen bilden 10 Texte ein aufeinander verweisendes, zirkulaeres System, das keinen Endpunkt hat. Eine Story im Stil eines Kriminalromans - das grafische Motiv erinnert an eine deutsche Krimi-Buchreihe - wird erzaehlt, ohne dass eine eindeutige Loesung des unaussprechlichen Verbrechens gegeben wuerde. Eine korrespondierende Variante der Telefonabfrage und des Call-Ins ist die Arbeit "12 Marias" (1999), transponiert in den Museumskontext anlaesslich der Ausstellung im Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum mit dem Titel "Talk.Show".

Norbert Meissner
Pfingsten

In einer thematischen Gratwanderung stellt Norbert Meissner hier die Medientechnologie auf die Probe. Das universale Ereignis "Pfingsten" ist der Moment hoechster Erkenntnis: technologisch der Augenblick aller Moeglichkeiten, d.h. das Rauschen. Der von einer TV-Ansagerin gesprochene Text versucht, eine Hierarchie zu erstellen, die staendig von elektronischen Bildstoerungen und Ueberblendungen vielsprachiger Fassungen des Textes sowie durch Einblenden von Signalbegriffen in verschiedenen Kulturschriften gestoert, unterlaufen, zurueckgedraengt wird. Eine differenziert zu lesende Arbeit ueber Wahrheit, Erhabenheit und Medien.

Hartmut Horst Eckart Lottmann Pim Richter Karin Steffen Burkhard Voiges
Mediopolis e.V. Am Rande der Traeume

"Am Rande der Traeume", ein Spielfilm auf dokumentarischer Basis, verdeutlicht die Professionalisierung der alternativen Produzentengruppen im Laufe der 80er Jahre. Der Film wurde mit dem "Deutschen Jugend Video Preis" 1985 ausgezeichnet und erzaehlt die Geschichte der sechzehnjaehrigen Tuerkin Guel. Sie ist grossgeworden in Berlin und was fuer deutsche Maedchen Selbstverstaendlichkeiten sind, hat sie sich muehsam erkaempft; kleine Freiheiten wie: der Gang durch die Einkaufsstrasse, die Zigarette in der Schulcafeteria, die Fahrt auf dem Motorrad, das Abholen des Lehrvertrages im Friseurladen. Ihr Bruder Mutlu ist erst als junger Mann nach Deutschland gekommen, er spuert die Einengungen durch die tuerkische Kultur kaum - ihn beschaeftigt viel mehr, wie er zu einem Motorrad oder zu groesserer Beliebtheit bei seinen deutschen Freunden kommen kann. Guel und Mutlu sind unterschiedlich betroffen durch den Entschluss ihres Vaters, in die Tuerkei zurueckzukehren. Mehr und mehr verdichten sich die Anzeichen, dass er Guels Verheiratung in der Tuerkei plant - mit einem Mann, den sie noch nicht einmal kennt. Sie ist gezwungen, eine Entscheidung ueber ihre Zukunft zu treffen.

Yana Milev Via Lewandowsky
doublage fantastique

Die Strukturen der Filmbilder von Yana Milev und Via Lewandowsky entstanden in einem aufwendigen Prozess der Be- und Verarbeitung von unterschiedlichen Materialien: Yana Milev schnitt Streifen aus Plastik zu, die dann mit Haaren, Stoffen, Sand, Holz beklebt wurden. Der Filmprojektor transportierte die praeparierten Streifen durch das Licht der Projektorlampe. Eine Kamera filmte dann die auf eine Flaeche projizierten "Material"-Bilder ab. Im ersten Teil des Films transportieren die Geraeusche einer Trommel die Aura einer archaischen Welt. Im zweiten Teil werden natuerliche Makrostrukturen einer Hand gegenuebergestellt, die kleine Gegenstaende unter Wasser drueckt. Struktur, Geraeusch und die Entpersoenlichung der Darsteller fuehrt zur Entwirklichung und dramatischen Beschwoerung kosmologischer Dimensionen.

Christian Moeller Ruediger Kramm
Kinetic Light Sculpture

Diese permanente Lichtskulptur ist an der Fassade des Kaufhauses Zeilgalerie in Frankfurt angebracht. Die Arbeit veraendert deutlich die aeussere Wirkung der Aluminiumfassade bei Nacht. Mit der Daemmerung beginnen blaugelbe fliessende Figuren, die je nach Umwelteinfluessen wie dem Wetter ihre Farben wie ein Chamaeleon aendern, zu leuchten. Temperatur, Wind und Regen sind die Echtzeit-Parameter dieser Lichtskulptur. Das Bild der Fassade wird von einem Computer (Silicon Graphics Indigo Entry) und einer Wetterstation auf dem Dach des Gebaeudes bestimmt: Die vorherrschende Temperatur bestimmt den jeweiligen Gelbanteil der Wand. Die gelben Teile bewegen sich im Einklang mit der Richtung und der Staerke des Windes. Regen beeinflusst den Fluss der gelben Teile in einer vertikalen Richtung. Der obere Teil der Fassade ist von einer horinzontalen Liniengrafik auf einem breiten LED-Display (3 m x 16 m) besetzt, die bei Dunkelheit den Rauschpegel der Passanten in Echtzeit visualisiert. Tagsueber wird dieses grafische Display fuer die Darstellung der Lokalnachrichten genutzt.

Beno"t Maubrey
Die Audio Gruppe Speaker's Container

Neben den objekthaften interaktiven Sound-Jackets und Tutus involvieren andere Arbeiten das Publikum direkt. Waehrend in den "Audio Mailboxes" (1985) die Bewohner eines Mietshauses in ihren Briefkaesten eigene Soundaufnahmen den anderen Mitbewohnern zum Hoeren gaben und so eine kommunikative Situation einer Nachbarschaft entstand, operierte "Speaker's Container" mit einem offeneren interaktiven Konzept: Besucher koennen ueber das Telefon einen Container anrufen und so mit den dort sich befindenden anderen Besuchern in Kontakt treten, ohne dass hier eine Intentionalitaet der Kommunikation die Ursache ist. Die Installation in einem Container impliziert einen provisorischen Charakter, das Modul einer Baustelle der Kommunikation. Es bleibt dem Zufall ueberlassen, wer mit wem ueber was spricht, aber dieser Zufall enthaelt auch die Moeglichkeit zu einer intensiven Begegnung.

Videoladen Zuerich
Zueri braennt

Anarchisch-freche und selbstironische Dokumentation der Jugendunruhen in Zuerich 1980. Der Film entstand aus einem Videoprojekt der Szene selbst, das die Ereignisse chronologisch begleitete (unter Mitarbeit von: Markus Sieber, Werner Schweizer, Marcel Mueller, Patricia Loggia, Thomas Krempke u.a.) Nach der Vorgeschichte, in der Zuerich als menschenfeindliche Betonwueste dargestellt wird, die zwar reich ist, aber kein Geld fuer Jugendkultur hat, folgen die wichtigsten Stationen des Konflikts: die Opernhaus-Demonstration, der Ausbau von Fabrikraeume als autonomes Jugendzentrum und die oeffentlichen Auseinandersetzungen um die Hausbesetzung. Zu sehen sind u.a. Szenen der legendaeren CH-Magazin-Sendung, in der Vertreter der Jugendbewegung, als biedere "Herr und Frau Mueller" verkleidet, in der Fernsehdiskussion "Telebuehne" provokativ ein haerteres Vorgehen und den Einsatz von Napalm forderten.

Carsten Nicolai
Teil 1 / documenta X

Im Stadtraum von Kassel trifft der Besucher auf zwei Phaenomene, deren Zusammenhang sich ihm nicht direkt erschliesst. Als Graffiti an Hauswaenden und Buergersteigen, aber auch als Button am Revers oder auf dem T-Shirt anderer Besucher begegent ihm das amorphe Zeichen Nicolais, ohne jeden Hinweis auf seinen Ursprung. Zudem sind die 72 verschiedenen Klaenge unerwartet an oeffentlichen Orten zu hoeren: aus Lautsprechern am Bahnhof und auf dem Flughafen, im Kaufhaus oder ueber das regionale Radio. "Viele Leute haben diese Arbeit nicht als Kunst wahrgenommen", sagt Nicolai dazu.

Petra Epperlein Michael Tucker
nomad / The Last Cowboy

"The Last Cowboy" ist ein interlinearer digitaler Film auf DVD (Digital Video Disc), der dem Betrachter die Erfahrung eines unmittelbaren Zugriffs nach Wahl ermoeglicht. Die Autoren benutzen hierfuer die neue DVD-Technik, um drei unabhaengige, aber konzeptuell miteinander verbundene digitale Videostreams miteinander zu einer nach Belieben abrufbaren Form zu verweben. So entstand eine mehrschichtige Erzaehlstruktur, die es dem Betrachter ermoeglicht, das facettenreiche Wesen der menschlichen Erinnerung zu erforschen. Um "The Last Cowboy" zu sehen, kann er mit der Fernbedienung eines DVD-Players oder mit der Maus eines PCs mit DVD-Laufwerk zu jedem beliebigen Zeitpunkt nahtlos zwischen den drei Videostreams hin- und herschalten. "The Last Cowboy" ist eine frei fliessende Erzaehlung - ein "stream of consciousness" - ueber einen vergessenen Osten und einen nie gefundenen Westen. Der Osten ist das ehemalige Ostdeutschland, gesehen durch die Augen eines jungen Menschen, der noch mit den Vorbildern sozialistischer Helden indoktriert wurde - allen voran die Indianer aus den sehr populaeren Westernfilmen, die in den 60er und 70er Jahren in der DDR gedreht wurden. In diesen Filmen verkoerperten die Indianer das Ideal und leisteten Widerstand gegen die Expansion nach Westen. Der Westen ist ein zwischen einer projizierten Marlboro-Mythologie und der haerteren Realitaet verlorenes Amerika. Der Weg nach Amerika beginnt mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 und setzt sich fort, als der Erzaehler waehrend des Zusammenbruchs von Ex-Jugoslawien nach New York aufbricht, um den Westen zu suchen, der zuvor nur in seiner Vorstellung existierte.

Gerd Conradt Monika Funke-Stern Hanno Baethe Hartmut Jahn
Notorische Reflexe / Confu Baja

Die Videoproduzentengruppe Confu Baja dokumentiert hier die multimediale Buehnenshow der Berliner Musikband Notorische Reflexe. In Zusammenarbeit mit den Musikern und Performern gelingt den Videomachern eine experimentelle Umsetzung von 5 Einzelperformances in eine zusammenhaengende Gruppenperformance, die den Zeitgeist der Berliner Szene jenseits von Punk und Rock in einer "Dramaturgie konfuser Eleganz" (Notorische Reflexe) einfaengt. Den Schluss des Bandes bildet der Videoclip "Breshnev-Rap".

Marcel Odenbach
Die Distanz zwischen mir und meinen Verlusten

In dieser emotionsgeladenen Arbeit verlagert Marcel Odenbach die Konstruktion von Selbst und Identitaet in den Bereich der Vision, indem er ein raetselhaftes Erinnerungstheater populaerer und historischer Darstellungen schafft. Die duestere musikalische Begleitung dieser Untersuchung persoenlichen und kulturellen Verlusts und Verlangens wird abwechselnd von Schuberts romantischer Oper "Erlkoenig" und Begraebnisliedern der Burundi geleistet. Odenbach setzt Identitaet in eine angespannte Beziehung zu Geschichte, Kultur und Sexualitaet, wobei das Selbst nur in Teilen sichtbar und erkennbar wird.

Monika Oechsler
High Anxieties

In verschiedenen Varianten hat Monika Oechsler in frueheren Installationen eine psychologische Dynamik und soziale Konstellation vor der Videokamera inszeniert. Die 3er-Gruppe von Maedchen in der vorhergehenden Arbeit "High Achievers" hat sie in "High Anxieties" auf eine 5er-Gruppe ausgeweitet. In beiden Faellen ist jeweils ein Maedchen das Opfer eines gruppendynamischen Prozesses. Waehrend es sich im ersten Fall noch argumentativ verteidigen kann, bleibt dem Maedchen in dieser 3-Kanal-Projektion nur noch die Rolle des wehrlosen, ohnmaechtigen Suendenbocks. In der stark rhythmischen Folge von Szenen und sich zum Teil ueberlappenden Perspektivwechseln entfaltet sich in nur etwas mehr als 3 Minuten ein sozialer Prozess, der mit verbaler wie non-verbaler Inszenierung von Angst, latenter Aggression und Gruppenritualen unter Maedchen den Zuschauer auch emotional direkt involviert. Die Grenze zwischen Fakt und Fiktion in diesem Rollenspiel bleibt undefinierbar in einer ambivalenten Spannung, die den Zuschauer als Voyeur zum Komplizen der Gruppe macht oder zur Identifikation mit dem Opfer einlaedt.

A.R. Penck Wolf Kahlen
Achtung Aufnahme

Synchron zu den fluechtigen, fliessenden Bildern einer geschwenkten Kamera spielen M. Freudenberg und Penck Musik. Wenn Kahlen die Kamerabewegung anhaelt ("Achtung Aufnahme"), einen zufaelligen Bildausschnitt der Galeriesituation fixierend, frieren auch die musikalischen Rhythmen ein. Penck steht auf und malt auf eine vor dem fixierten Monitorbild plazierte Glasscheibe - mit der Bildstruktur, gegen sie an, ueber sie hinweg. So entstehen 15 Bilder, bei einigen fuehlen sich auch anwesende DDR-Kuenstler (u.a. Strawalde) stimuliert, Penck zuvorzukommen und eine Scheibe zu bearbeiten. Die Performance fand vor Besuchern aus Ost und West im Anschluss an Kahlens unerlaubte Ausstellung "Licht-Be-Zeichnungen" in der privaten Ostberliner Galerie Schweinebraden statt und ist die erste als Performance konzipierte Demonstration von Video in der DDR. Ein Teil der Geraete war ueber den diplomatischen Dienst in den Osten gelangt, ein anderer (tarngruen gestrichen) kam durch einen NVA-Psychologen in die Galerie.

Daniel Pflumm
questions & answers

In dem Video "questions & answers" laesst Daniel Pflumm je zwei nebeneinanderstehende, frontale Journalistenportraets, die zu einem CNN-Interview zusammengeschaltet sind, in Endlosschleifen ins Leere laufen. Die kaum erkennbaren Bildschnitte zwingen den Gesichtern eine minimale, fast krampfhafte, ausweglose Mimik auf. Mal wird durch das im Duett erfolgende Augenzwinkern, dann wieder durch ein leichtes, unmerkliches Nicken ein Dialog hergestellt. Dieser entstellte Dialog folgt nicht mehr den politischen Sachverhalten, sondern nur noch dem hypnotisierenden Rhythmus des Sounds (DJ KOTAI und Daniel Pflumm).

Daniela Alina Plewe
Muser's Service

"Muser's Service" ist ein Programm zum Tagtraeumen (eng. to muse). Internetuser legen ihre Assoziationen (sprachliche Ausdruecke mit deren Relationen, Web-Adressen) in einer Datenbank ab und erhalten auf Anfrage vom System generierte Assoziationsketten. Dazu gibt man Anfangs- und Zielbegriff und die bevorzugten Assoziationsmethoden ein. Wer Anfang und Ende einer Kette nur vage eingrenzen will, beschreibt die beiden Pole mit einigen Eigenschaften. Eine Wortfeld-orientierte Searchengine schlaegt dann passende Begriffe vor. Fuer die Eingabe reflektiert der Benutzer, wie er von einer Idee zur naechsten gekommen ist. Am Anfang von Computer Aided Brainstorming steht also die Introspektion. Aus dem gesammelten Material stellt "Muser's Service" kuenstliche Gedankenverbindungen her. Dabei entstehen neue, ungewoehnliche Verknuepfungen, die so nie eingegeben worden sind. Kuenstliche Wortketten, deren Feedback die Sprachzentren des (M)Users stimulieren.

Nam June Paik
Good Morning Mr. Orwell

Georg Orwell sieht in seinem 1948 entstandenen Roman "1984" das Fernsehen der Zukunft als das Kontrollinstrument des diktatorischen "Grossen Bruders" in einem totalitaeren Staat. Puenktlich zum 1. Januar des Orwell-Jahrs 1984 will Paik zeigen, dass Satelliten-Fernsehen auch positiven Zwecken dienen kann, so der Mischung von E- und U-Kultur und ihrem Austausch zwischen e den Kontinenten. Mit einer Live-Sendung zwischen dem WNET 13 TV in New York und dem Centre Pompidou in Paris sowie einer Zuschaltung von Sendern in Deutschland und Korea erreicht er ueber 10 Millionen Menschen, inklusive der spaeteren Wiederholungen sogar ueber 25 Millionen weltweit. Sein schon mit dem Videotape "Global Groove" 1973 entwickeltes Konzept eines TV-Austauschs zur Voelkerverstaendigung wird nun erstmals in Echtzeit mittels Satellit erprobt. Viele technische Pannen lassen das Resultat anders werden als geplant, doch dies steigertlaut Paik das Live-Feeling. Der Versuch, Mainstream-TV und Avantgarde-Kunst zu mischen, ist eine typisch Paiksche Gratwanderung, die beim serioesen Kunstpublikum eher auf Vorbehalte stoesst als bei "jungen, medienversierten Leuten, die auf den 20 New Yorker TV-Stationen wie auf einem Klavier spielen". Paik hat persoenlich viel Geld in das Projekt investiert, um seine Vision zu verwirklichen. Auf die Frage, was er an der Himmelspforte zu Petrus sagen werde, antwortet er ohne zu zoegern, dass diese Live-Show "mein direkter Beitrag zum Ueberleben der Menschheit ist, und er wird mich rein lassen".

Alexeij Sagerer
ProT / Kuessende Fernseher

In einer 400 qm grossen und 10 m hohen Halle haengen, stehen und liegen 50 Fernsehapparate. Nach einer festgelegten Choreografie produzieren die Apparate Bilder, toenen, schwingen, pendeln, fallen und implodieren. Die Live-Toene von drei Fernsehprogrammen mischen sich, wachsen aus einer vorproduzierten proT-Musik, mischen sich mit der proT-Musik, stehen allein da, brechen ab und kommen wieder. Paarweise werden Fernsehapparate mit laufenden Programmen auseinandergezogen und aufeinander losgelassen. Sie knallen mit ihren "Gesichtern" aufeinander und implodieren. Die Oeffnung der Guckkastenbuehne.

Heiko Idensen Matthias Krohn
PooL Processing / Imaginaere Bibliothek

Auf dieser Ebene kann der Leser aktiv werden und sich fuer Kapitel mit Optionen fuer Schreibprozesse entscheiden, die sich mit historischen Sprach- und Textbeispielen befassen: u.a. "Virussaetze", endlose Kinderreime, sprachliche Loops, die weitergeschrieben werden koennen. "Mesochstichon", in der Tradition von James Joyce und John Cage, bietet eine poetische Methode der visuellen Anordnung von Buchstabenfolgen, um vertikale, diagonale und andere Leserichtungen zu ermoeglichen. Im Kapitel "Das endlose Buch" wird die potentiell endlose Ars Combinatoria exerziert. Aus 64 einzelnen Woertern entsteht so ein jeweils neuer Text voll poetischer Semantik. "Fragen und Antworten" liefert Informationen zum theoretischen und historischen Hintergrund der Arbeit.

Rotraut Pape
Nicht nur Wasser

Fuenf Maenner und Frauen sitzen um einen runden Tisch. Auf ihren Tellern entstehen vor unseren Augen Nahrungsmittel, die hoechst verwunderliche Metamorphosen durchmachen. Ananas, Melone, Vollkornbrot und andere Fruechte vom Baum der Erkenntnis praesentieren sich uns von innen und werden lebendig. Waehrend sie aufbluehen, pulsieren und immer neue Formen annehmen, verwandeln sich auch die Esser. Langsam aber sicher loesen sich die Grenzen zwischen Innen und Aussen auf, und mit dem Verschwinden der Raumgrenzen werden auch die Grenzen zwischen Geist und Materie unscharf.

Karel Dudesek Benjamin Heidersberger Salvatore Vanasco Mike Hentz
Ponton / Piazza virtuale / documenta 9

Unter dem Namen Van Gogh TV arbeiten seit 1986 Kuenstler und Techniker aus Oesterreich und Deutschland im Ponton European Media Art Lab zusammen. Einige ihrer Mitglieder entwickelten schon in der Gruppe Minus Delta T seit 1979 gemeinsame Projekte. "Piazza virtuale" ist ein interaktives Fernsehprojekt, das 1992 waehrend der documenta IX an 100 Tagen europaweit ueber 4 Satelliten zu empfangen war. Besucher der documenta konnten sich ueber Bildtelefone und Kameras, die an verschiedenen Orten in Kassel und in anderen europaeischen Staedten fest installiert waren, in die live ausgestrahlte Sendung "Piazza virtuale" einblenden. Ueber Telefon, Fax oder Computermodem war es moeglich, sich von zu Hause in die Sendung einzuwaehlen. Ziel des Projektes ist dieTransformation des Massenmediums Fernsehen in ein interaktives Medium, das die Relation von einem Sender und vielen Empfaengern umkehrt.

Rotraut Pape Andreas Coerper
Waswaswaswaswas / M. Raskin Stichting Ens

Fuenf Gesichter sind verteilt auf fuenf Monitore auf ueberdimensionalen Holzstuehlen in einer dramatischen Gespraechsrunde. Der Zuschauer kann sich mitten unter sie begeben oder am Rand stehen bleiben. Sprache als Sprache, Dialogisches wie Polylogisches, Lautmalerei oder auch nur stille Blicke und Bewegungen bestimmen die Choreografie dieser Arbeit. Ein spielerisches, lakonisches, absurdes Stueck ueber Sprache und Kommunikation, das schon 1990 das Zeitalter der "Talk Shows" als mediales Dauergespraech ueber die Koepfe der Zuschauer hinweg und als einen Prozess inszenierte, an dessen Ende die Sprachlosigkeit lauert: "Dann verlor ich das Bewusstsein".

Axel Wirths, Sabine Voggenreiter, Reinhard Mueller, Uwe Wagner, Detlev Meyer-Voggenreiter
MASA / Casino Container / Electronic CafÉ International

Die Koelner Gruppen realisierten das Projekt als mobilen oeffentlichen Raum, der seine Stationen neben der documenta 9 auf der Biennale in Venedig 1993 und im Koelner Mediapark hatte. In rund 60 Einzelprojekten erforschten, diskutierten und kritisierten Kuenstler, Designer, Musiker, Architekten, Schriftsteller und Kritiker die veraenderten Moeglichkeiten von Technik und Produktion. Ihr Atelier auf Zeit war das "Electronic CafÉ International" in der oberen Etage des Containers mit Anschluessen an verschiedene Netzwerke und Arbeitszusammenhaenge (direkte ISDN-Verbindungen, Internet, Bildtelefon, Audiokonferenzen etc.), die sie als "artists in residence" nutzen konnten. Die Einseitigkeit der sendergesteuerten Kommunikation sollte ebenso durchbrochen werden wie die Beliebigkeit eines offenen Kanals, in dem sich alle Aeusserungen gegenseitig ausloeschen. Casino Container entwickelte fuer die mediengesellschaftliche Gegenwart das Konzept eines mobilen oeffentlichen Raumes, der dort eingesetzt werden kann, wo er gebraucht wird. Er kombiniert das traditionelle CafÉ und die mediale Workstation zu einer zeitgemaessen Form des Palavers, die das oeffentliche Leben vor Ort mit den Netzwerken des globalen Dorfes verbindet. Fuer eine gewisse Zeit wird ein Ort besetzt, aktiviert und veraendert. Dann geht die Reise weiter.

Dieter Roth
Solo Szenen

In den 25 Jahren, in denen ich fernsah, beunruhigten mich zusehends die Schauspieler und ihre Darstellung in Spielfilmen. Die meisten Szenen sollten offensichtlich so aussehen wie Szenen aus jedermanns Alltag. Aber sie zeigten nicht, was sie zeigen sollten. In diesen Filmen war derjenige ein guter Schauspieler, der sich in unwirklichen und phantastischen Geschichten normal und wie im taeglichen Leben verhalten konnte. Oder es lief auf das Gegenteil hinaus: Man bediente sich eines phantastischen, enthusiastischen Spielstiles, um wenig aufregende Alltagsszenen darzustellen. Mit Dokumentarfilmen verhielt es sich aehnlich. Man suchte extreme Begebenheiten (und fand sie auch): Kriege und Katastrophen, was wirklich extreme Geschehnisse sind, wurden dargestellt, als passierten sie ueberall und jeden Tag. Ich gab das Fernsehen auf, was schwierig war, da ich die Freiheit genoss, meine Zeit so zu verbringen, wie ich es am liebsten hatte (ausser in Zeiten der Not). Oft sass ich tage- und wochenlang vor meinen Apparaten, und im Lauf Zeit begann ich, mehr und mehr zu leiden und mich angewidert zu fuehlen. Manchmal, nach vielen Monaten unentwegter Sauferei, wenn ich keinen Schlaf mehr finden konnte - allenfalls eine einzige Stunde nach ein oder zwei Stunden des Wachseins -, konnte ich mir im Fernsehen keinen Film mehr anschauen (im Kino bin ich jahrelang nicht mehr gewesen), ohne zu schimpfen und zu schreien. Und doch musste ich diese Spielfilme sehen. Eine Moeglichkeit, mit dem Trinken aufzuhoeren, war fuer mich immer, nach Island zu gehen und dort zu leben. Dort gewoehnte ich mir das Trinken ab, sobald ich, wie in den spaeten sechziger und siebziger Jahren, die meiste Zeit in einem Haus wohnte, das 5 bis 10 Autostunden (was von der Jahreszeit abhing) vom naechsten Spirituosenladen entfernt war. Heutzutage gibt es an allen moeglichen Orten in Island Spirituosengeschaefte, hingegen schaffe ich es dort (meistens), keinen Alkohol anzuruehren; zum einen durch meine nachhaltige Furcht vor dem Trinken, zum andern durch die Scham, die ich empfinde, wenn ich in Anwesenheit meiner Enkelkinder trinke. Die Kombination aus einem kranken Koerper, der keinen Alkohol mehr vertraegt, und einer Menge Enkelkinder, die es fuer unnatuerlich halten, wenn ihr Grossvater saeuft, hilft mir, nuechtern zu bleiben. Wenn ich lange genug trocken bin (mehrere Monate), gelingt es mir wieder, mit Gegenstaenden wie Tonbandmaschinen und Videokameras zu arbeiten. Seit Maerz '97 versuche ich, Filme zu drehen, die ich mir ausdachte, als ich mir die Spielfilme im Fernsehen ansah. Die nicht gerade aufregenden Gefuehle und Taetigkeiten der ersten zehn Monate des Trockenseins nach einer langen Zeit der Trunksucht (2-3 Jahre) scheinen mir ein gutes Material fuer die gleichfoermigen (weder ueber- noch untertrieben dargestellten) Filmszenen zu sein, die ich produzieren will. Die Videofilme, die ich waehrend eines Genesungsaufenthaltes in Island und seiner Fortsetzung in Basel gedreht habe, begann ich, aufzunehmen als "Solo Szenen", da man die schwierige Zeit, mit dem Trinken aufzuhoeren, durchaus als Solozeit bezeichnen kann. Dennoch musste ich nach einigen Monaten an 2 verschiedenen Orten in Island nach Basel reisen, um die Ausstellung in Marseille vorzubereiten. Und da Bjoern und seine Freunde nach einer Weile ebenfalls kamen, erhielt ich die Gelegenheit, ein paar lebhaftere Szenen aufzunehmen - wenigstens auf Polaroidfilm. 20013100EFB2B,Die einsamen "Solo Szenen" indessen moechte ich nochmals ausprobieren: wenn die Ausstellung vorbei ist, und ich meine Tage wieder in Ruhe verbringe. Ohne solches Zeugs, das Eindruck machen soll. Allerdings mag die eindringliche Nichtheit, die ich suche, fuer mich nicht zu erreichen sein.

Juergen Reble
Ein bewaehrter Partner

Dieser "Found footage"-Film basiert auf einem alten Siemens-Industriefilm ueber Computer und deren "Sprache". Juergen Reble setzt auch als einzelner Autor seine im Kollektiv Schmelzdahin erprobten Strategien fort. Aus dem auf Schwarzweiss umkopierten Farbmaterial flackern im Atem- und Herzrhythmus Bilder von Lochkarten und Computerbauteilen auf. Der vom Originalton getrennte und durch optische Kopierungen bearbeitete Film pulsiert in einem biologischen Rhythmus, der dem Gegenstand des Ursprungsfilms - dem bewaehrten Partner Computer - ein Eigenleben verschafft. Dabei werden im Originalfilm verborgene Aspekte zum Vorschein gebracht, die zur meditativen Reflexion anregen.

Julian Rosefeldt Piero Steinle
News

Das Fernsehen, immer strukturell einer der zentralen Bezugspunkte der Videokunst, wird hier als speziell deutsch-deutsches Fernsehen analysiert. Mit dem gebuehrenden Abstand zum Ende des Kalten Krieges wird in einer antipodischen wie auch dialogischen audiovisuellen Komposition zweier Videoprojektionen ein Stueck Zeitgeschichte als Fernsehgeschichte praesentiert. Deutlich wird in dieser auch unterhaltsamen "Found footage"-Kompilation, dass sich die Ideologie gegenueber dem Fernsehmedium mit seinen Praesentationsbedingungen nicht behaupten kann. Rosefeldt und Steinle organisieren daher das Material von "Tagesschau" (BRD) und "Aktueller Kamera" (DDR), oeffentlich-rechtlichen sowie privaten Sendern dramaturgisch entlang den Kapiteln und Schablonen einer Nachrichtensendung vom "Guten Tag" ueber die gesammelten Pausenatmer bis hin zum Wetter und dem Abgang des Moderators.

Regine Wyrwoll Philomene Magers sen.
KUNSTKANAL - Kuenstler machen Fernsehen

Der KUNSTKANAL erreichte waehrend der einwoechigen Sendung auf dem Privatkabelsender RTL plus 2 Millionen Zuschauer, blieb allerdings in der Fernsehgeschichte ein Unikat: Bildende Kuenstler haben bis heute keine Chance, den "oeffentlichen Raum" des Fernsehens mitzugestalten. Parallel zu den acht 1-stuendigen Sendungen, realisiert von u.a. Rotraut Pape, GÉrardCouty, Ernst Mitzka, lief jeweils am Sendeschluss rund um die Uhr das BTX-Programm "Welcome to Hotel Rasputin" von Volker Hildebrandt. Beteiligte Kuenstler waren: Robert Adrian X, Thomas Bayrle, Gerd Belz, Klaus vom Bruch, Peter Bruntz, Peter Campus, GÉrard Couty, Walter Dahn, Lili Fischer, Rainer Ganahl, Paul Garrin, Ingo Guenther, Astrid Heibach, Julia Heyward, Volker Hildebrandt, Jenny Holzer, Thomas Huber, Hans-Peter Keyssig, Joan Logue, Norbert Meissner, Ernst Mitzka, Branda Miller, Rainer Mucha, Norbert Nowotsch (und sieben Studenten der Fachhochschule Muenster), Marcel Odenbach, Rotraut Pape, Frederike Pezold, Sigmar Polke, Ulrike Rosenbach, RenÉ Pulfer, Lazlo Revesz, Bill Seaman, Bill Viola, William Wegman.

Pipilotti Rist
Remake of the Weekend

Pipilotti Rist, schweizer Videokuenstlerin, Musikerin und Performerin, erhielt 1996 ein DAAD-Stipendium fuer Berlin. Als Ergebnis ihres 1-jaehrigen Aufenthalts richtete die Neue Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof eine grossangelegte Ausstellung mit mehreren Videoinstallationen aus, deren groesste eine neue Arbeit mit dem Titel "Remake of the Weekend" war. Pipilotti Rist erzielte durch die raeumliche Nachbildung eines Busses in Originalgroesse mit Hilfe von Rueckprojektionsleinwaenden einen leichten, schwebenden Effekt. Der einheitliche Soundtrack sorgte fuer eine traeumerische Grundstimmung und eine subjektive, ungewoehnliche Perspektive auf eine Busfahrt - nicht so katastrophisch wie noch beim Vorgaenger Jean-Luc Godard und dessen Film "Weekend", aber auch nicht so pointiert aus weiblicher Sicht inszeniert wie andere Werke. Der Berliner Video-Bus ist ein organisches, fliessendes Gebilde in slow motion aus Formen, Farben und einem nackten maennlichen Passanten.

Ulrike Rosenbach
Das Bild der Frau in der Nachkriegszeit

Im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn laeuft ueber eine Wand von 96 Fernsehmonitoren, ein Programm mit drei Kuenstlervideos. Eines davon ist von Ulrike Rosenbach. Gezeigt werden Dokumentaraufnahmen aus der Nachkriegszeit mit Frauen, die am Wiederaufbau beteiligt sind: auf dem Bau, in der Fabrik, in der Forschung. Im Wechsel dazu sieht man das Bild der Frau aus der deutschen Traumfabrik UFA: im Abendkleid, als jugendliche Ballettratte und Schoenheitskoenigin. Eine weibliche Person mit gelbem Schal schwingt auf einer Schaukel in regelmaessigem Rhythmus durch das Bild des zerstoerten Nachkriegsdeutschland. Ulrike Rosenbach verbindet die kuenstlerische Arbeit mit kulturgeschichtlicher Forschung. Sie wendet sich den Klischees und Typisierungen, der Rolle der Frau in einer patriarchial gepraegten Gesellschaft zu. Inzwischen ist es aber nicht mehr die autobiografische Radikalitaet, mit der sie in ihren Aktionen der 70er Jahre Betroffenheit erzeugte und einen feministischen Grundstein legt. Diese Arbeit von 1994 ist historisch abgeklaert. Die Kuenstlerin setzt nicht mehr ihren eigenen Koerper ein, sondern praesentiert dokumentarisches Material mit den neuesten technischen Mitteln.

Strawalde (Juergen Boettcher)
Potters Stier

1981 dokumentiert der damals 50-jaehrige Dresdner Maler und Dokumentarfilmer Strawalde (Juergen Boettcher) in seinem Experimentalfilm-Triptychon "Potters Stier"/"Venus nach Giorgione"/"Frau am Klavichord" (auch bekannt unter dem Titel "Verwandlungen") die Uebermalung verschiedener Serien von Kunstpostkarten nach Werken von ihm verehrter Meister: Paulus Potter (1625-54), Giorgione (ca. 1477-1510) und Emanuel de Witte (um 1617-92). Vor laufender Kamera macht er das Verfliessen von Zeit erfahrbar, indem er ihre Qualitaeten mit dem Pinsel rhythmisch pointiert. Er ueberlagert Bilder mit seinen eigenen Bildern und improvisiert die entstehenden Reibungsgeraeusche auf der Tonspur. Ohne diese fuer den DDR-Film beispiellose Bildarbeit von Boettchers Experimentalfilmen waeren die Filme der juengeren Generation von Super-8-Filmern nicht denkbar gewesen.

Christoph Schlingensief u.a.
Chance 2

Zum Bundestagswahlkampf 1998 tritt der Experimentalfilmer und Theatermacher Christoph Schlingensief mit einem neuen Wahlprogramm auf: "Waehle Dich selbst!" Mit der Berliner Volksbuehne finden oeffentlichkeitswirksame Veranstaltungen statt wie der "Circus Sperlich" oder ein temporaeres "Hotel" mit taeglichen Aktionen unter Mitwirkung von Behinderten, Arbeitslosen und Obdachlosen. Diese werden unter geschickter Ausnutzung der Wahlgesetzgebung zu Unterschriftensammlung und Gruendung von Bundes- und Landeslisten der Partei umfunktioniert. Aus "Kunst" wird "Ernst", die Partei "Chance 2" schafft den Sprung auf alle Wahlzettel. Jeder, der sich hat aufstellen lassen, kann nun das Motto wahr machen und bei der Bundestagswahl sich selbst waehlen.

Claudia Schillinger
Between

Ein Sommernachmittag voller Tagtraeume. Sexuelle Fantasien verkoerpern sich in schwarzweissen Bildern androgyner Koerper. Die Grenze zwischen Bildern der Realitaet und Wunschbildern wird durchlaessig, das Geschlecht wird spielerischen Verwandlungen unterzogen. "Between" setzt auf lustvolle Fragmentierung des Koerpers, surreale Szenenfolge und eine ambivalente Symbolik. Die Lust an einer eigenwilligen Inszenierung des Koerpers dominierte den Zeitgeist der 80er Jahre. Die Artikulation eines wilden "Begehrens" - um einen zentralen Begriff der aesthetischen wie feministischen Diskussion der 80er Jahre aufzugreifen - schlug sich auch in Filmen nieder, die in der Folge von z.B. Maya Derens Filmen der 40er Jahre eine andere weibliche Sicht formulierten.

Paul Sermon
Telematic Vision

"Telematic Vision" besteht aus einem jeweils identischen Aufbau an zwei beliebig weit voneinander entfernten, ueber Telefonleitungen verbundenen Orten: ein blaues Sofa, ihm gegenueber ein grosser Monitor, an beiden Seiten des Sofas jeweils ein kleiner Monitor. Eine Videokamera nimmt das Geschehen auf dem Sofa auf und sendet die Bilder zu einem Videomischer. Die Bilder der beiden Orte werden gemischt und jeweils auf die grossen Monitore uebertragen. Zusaetzlich werden Live-Fernsehbilder als Hintergrund eingespeist. Person A sitzt an einem Ort auf dem blauen Sofa. Person B sitzt ebenfalls auf einem blauen Sofa am anderen Ort. Auf dem grossen Monitor sehen sich beide Personen zusammen auf einem Sofa sitzen, dessen "Bezug" aus Fernsehbildern besteht. Durch Mimik und Gestik, durch Bewegungen auf dem Sofa koennen die beiden (oder mehrere) Personen aufeinander und auf die Situation reagieren und miteinander kommunizieren. Ueber die Distanz hinweg befinden sie sich in einem gemeinsamen virtuellen Raum. Sofa und Fernseher assoziieren die alltaegliche Situation des passiven Fernsehkonsumenten, die hier jedoch in eine offene, komplexe Form von Aktion und Interaktion transformiert wird. Gleichzeitig werden diejenigen, die auf dem Sofa Platz nehmen, zu Akteuren, die sich vor dem umstehenden Publikum inszenieren.

Schmelzdahin
Stadt in Flammen

Dieser "Found footage"-Film basiert auf Szenen aus dem franko-kanadischen Spielfilm "Ville en flamme". Vor der Schnitt- und Tonbearbeitung wurde das Ausgangsmaterial im Garten vergraben, gezielt Bakterien und Mikroben ausgesetzt und dann im Moment der Verfluessigung der Emulsion kopiert. Die Aufloesung der Bilder, d.h. die sichtbare Zersetzung der bildtragenden Schicht, korreliert mit dem Katastrophenthema des Ausgangsfilms. Bildteile und Farbflaechen aus der schemenhaft erkennbaren Handlung, wie die Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann, fliessen organisch ineinander und verschmelzen auf dem bunt-grobkoernigen Super-8-Kopiermaterial.

Jeffrey Shaw
The Legible City

In "The Legible City" bewegt sich der Besucher auf einem stationaeren Fahrrad durch die Strassen einer Stadt, die vor ihm auf einer Projektionsflaeche zu sehen sind. Im Unterschied zu einer normalen Stadt saeumen in der "lesbaren Stadt" allerdings keine Haeuser die Strassen, sondern Buchstaben. Auf seinem Weg durch die Stadt kann der Radfahrer verschiedenen Erzaehlstraengen folgen und so seine eigene Geschichte der Stadt erfahren. Auf einem kleinen Display am Lenker des Fahrrades erscheint ein Stadtplan, auf dem der Fahrer seine Position in der Stadt verfolgen kann. Zwischen 1988 und 1991 entstanden drei verschiedene Versionen von "The Legible City": Manhattan, Amsterdam und Karlsruhe. Mit der Manhattan-Version schafft Jeffrey Shaw eine der fruehesten interaktiven Installationen, die heute als Schluesselwerk in diesem Bereich gilt.

Roman Signer
Aktion mit Papierblaettern / documenta 8

Die documenta 8 propagierte neben einer Fuelle von imposanten Videoinstallationen auch eine umfangreiche Performancesektion. Das Markenzeichen des schweizer Konzeptkuenstlers und Performers Roman Signer sind Aktionen mit Explosivstoffen im Spannungsfeld von Skulptur und Ereignis: "Meine Arbeiten sind wie Fallen, die ich der Natur stelle, damit sie als Partnerin in die Gestaltung eingreift und sie vollendet". Meist ist er Initiator und "Versuchsperson" in Personalunion, z.B. indem er bei der documenta 8 die Befestigungen eines grosses Rohres, das ueber ihm haengt, so sprengt, das dieses ihn krachend umhuellt und er in der Roehre verschwindet. Die meisten der Aktionen Signers sind von geradezu minimalster und kuerzester Dramatik, dabei immer auch von konzeptueller Absurditaet. Zum Abschluss der documenta spielt Signer noch einmal in einem sehr viel groesseren Rahmen mit der Explosivitaet einer schnellen Veraenderung: Tausende Blatt Papier sprengt er in die Luft zu einer weissen Regenwand, die sich zwischen Ploetzlichkeit und langsamen Verwehen zu einem poetischen Abschlussbild in der Zeit formt.

Frieder Schnock Renata Stih
Neues Deutschland BILD

Die Geschichte der beiden deutschen Staaten BRD und DDR ist immer auch eine Geschichte der Propaganda gewesen. Die ideologischen Grabenkaempfe zwischen Kapitalismus und "real existierendem Sozialismus" waren besonders eklatant in der Presse des geteilten Berlins zu verfolgen. Frieder Schnock und Renata Stih haben anlaesslich der Ausstellung "Deutschlandbilder" 40 Jahre deutsch-deutscher Geschichte bis zum Fall der Mauer Revue passieren lassen und hunderte von Schlagzeilen des offiziellen Sprachrohrs der DDR-Regierung, "Neues Deutschland", und des inoffiziellen und selbsternannten Sprachrohrs des westdeutschen "Volks", des Massenblatts "BILD", kompiliert und einander tageweise gegenuebergestellt. Die einfache Animation der Schlagzeilen zu signifikanten Daten wie auch laengst vergessenen Ereignissen laesst das gespannte Verhaeltnis der beiden deutschen Staaten durch die sprachlichen Slogans und Worthuelsen plastisch werden.

Christine Schlegel
Strukturen II

Neben Lutz Dammbeck war auch Christine Schlegel beeinflusst von der Tanzperformerin Fine Kwiatkowski. Fuer ihre Arbeit war die Vermischung malerischer, filmischer, musikalischer und aktionistischer Elemente charakteristisch - zum Teil auch unter Verwendung entsprechender Soundgruppen wie "Einstuerzende Neubauten". Durch permanente Ueberarbeitungen und Rekombinationen bildnerischer Motive und Strukturen (in "Strukturen und Film" sowie in "Strukturen II") wird auch bei ihr deutlich, wie sehr Malerei und Film sich in der DDR der 80er Jahre gegenseitig beeinflusst haben.

Michael Saup William Forsythe
Binary Ballistic Ballet

Michael Saup hat in Zusammenarbeit mit William Forsythe, dem kuenstlerischer Direktor des Balletts Frankfurt, eine Buehnensituation mit Monitoren gestaltet, die nur fuer die Taenzer sichtbar computeranimierte abstrakte Begriffe als visualisierte Improvisationsvorgaben zeigten. Die Taenzer tanzten nach einem digitalen Programm, ohne dass dies fuer die Zuschauer offensichtlich war. Sie wurden erst in der Pause ueber den Zusammenhang von Vorgabe und Ausfuehrung, Abstraktion und Konkretion unterrichtet. Das Tanzstueck bleibt eine computergestuetzte Auffuehrung, ein digitales, d.h. eben binaeres Programm, das jedoch keine Multimedia-Oberflaeche produziert.

Cornelia Schleime
Unter weissen Tuechern

Der Titel des Films spielt sowohl auf den Brautschleier als auch auf die bandagierten, eingegarnten und verpackten menschlichen Koerper an. Wie in einem Musterbuch variiert die Malerin Cornelia Schleime die Moeglichkeit des Umgarnens und der surrealen Deutung der vorgegebenen Motive. Nach dem gleichen additiven Prinzip entwickelt sie auch ihre anderen S-8-Filme, die alle zwischen 1982 und 1984 entstanden. Gespeist aus theatralischen und Performanceelementen, mischen sich Leitbilder der Dichterszene mit einer assoziativ oder Handlungsablaeufe bruesk abbrechenden Montage.

Cornelia Sollfrank
Female Extension

1997 schrieb die Hamburger Kunsthalle den Wettbewerb "Extension" fuer Netzkunst aus. Cornelia Sollfrank konterte das Bestreben nach "Extension" ins Netz trocken mit einer "Female Extension": Sie kreierte 288 internationale Netzkuenstlerinnen, denen sie vollstaendige Post- und E-mail-Adressen zuordnete. Fuer 127 dieser Kuenstlerinnen generierte Sollfrank individuelle Netzkunstprojekte mit Hilfe eines Computerprogramms, das im WWW beliebiges HTML-Material sammelte und automatisch rekombinierte. Waehrend sich die Kunsthalle ueber die hohe Beteiligung von Kuenstlerinnen freute - zwei Drittel der BewerberInnen waren Frauen - gingen die Geldpreise an maennliche Kuenstler. Sollfrank deckte die unentdeckt gebliebene Intervention in einer Presseerklaerung auf.

Pit Schultz Geert Lovink u.a.
nettime

Diskussionen ueber das Internet, seine Eigenheiten und die damit verbundenen politischen Probleme und Chancen werden seit 1995 auf der von Pit Schultz (Berlin) und Geert Lovink (Amsterdam) initiierten "nettime"-Mailingliste gefuehrt. Mit einer inzwischen auf ueber 700 Abonnenten angewachsenen Gruppe von Beteiligten aus allen Teilen Europas und anderen, nichteuropaeischen Laendern hat sich hier eine Schar von enthusiastischen MedienaktivistInnen unter dem Banner der "Netzkritik" zusammengefunden. Bei regelmaessigen Treffen und in gemeinsamen Projekten werden diese Ideen auch wieder in gemeinsame Praxis umgesetzt. Auch wegen des Gemeinschaftscharakters - und der voelligen Nichtkommerzialitaet - hat der australische Kulturtheoretiker McKenzie Wark "nettime" als "die europaeische Antwort auf Wired" bezeichnet. Die im Stil eines Dow-Jones-Index realisierte Grafik verdeutlichen wie Themen und Diskussionen im Rahmen der Mailinglisten sich verdichten und veraendern.

Elisa Rose Gary Danner
Station Rose / Virtuelle Realitaet

Station Rose wurde 1988 von Gary Danner und Elisa Rose als erstes oeffentliches Multimediaprojekt in Wien gegruendet. Es hat fuer viele Nachfolger den Komplex Multimedia / Netz / Clubbing und Theorie / Sampling vorgedacht und aehnliche Projekte ausgeloest. Einer der STR-Slogans ist "hi+lo", ein anderer "Gunafa". Diese erste CD-ROM, noch auf Commodore Amiga entstanden, ist Ergebnis eines Auftrags des Oesterreichischen Ministeriums fuer Wissenschaft und Forschung. Sie wurde dem Heft 11/1992 von "Chip inside" in einer Auflage von 5 Stueck beigelegt. Ihr vorrangiges Ziel ist laut Station Rose nicht "das Anbieten intelligenten Infotainments, sondern die Nutzung langjaehriger Performanceerfahrung bei der Schaffung einer 'interaktiven Landschaft', um es dem User schmackhaft zu machen, diese zu erforschen." Ausserdem enthaelt die Disc drei Audiotracks.

Sabine Schaefer
TopoPhonicZones - LOST

"LOST" ist durch einen Lautsprecherwinkel gepraegt, ueber den Klangmassen hinabstuerzen und wieder hinaufziehen. Das motorgesteuerte Stroboskoplicht von Werner Cee kontrapunktiert das Klanggeschehen mit zuckenden, in die Tiefe stuerzenden Blitzen.

Michael Saup Anna Saup Anne Niemetz
Gideon May Supreme Particles

Die Gates A und B im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens verbindet eine 270 m lange Roehre mit 2 Laufbaendern. Je nach Gehtempo halten sich die Passagiere zwischen 3 und 6 Minuten in dieser Zwischenzone auf. Diese Situation der Gleichfoermigkeit und Orientierungslosigkeit wird durch die Installation "Airport-Tunnel" visuell, akustisch und an einer Stelle auch olfaktorisch zu einer sinnlichen Erfahrung, die mit dem Betreten des Tunnels durch Lichtschranken aktiviert wird. Neben dem computergesteuerten, indirekten Farblicht von 2 dimmbaren Neonroehren werden MIDI-Klaenge zu einem bestehenden Soundtrack jeweils neu dazugemischt. Aufgeteilt in 4 Sektoren gleich einem Durchlauf der Jahreszeiten, sorgen diese Variablen der Programmierung dafuer, dass kein Tag wie der andere ablaeuft.

Volker Schreiner
Wipe-Board

130 Bildflaechenwechsel nehmen den Wipe beim Wort und den Screen beim Bild - und dessen Abbild. Volker Schreiners strukturalistische Studien einer Materialitaet des elektronischen Bildes und der Immaterialitaet tradierter Werkstoffe bilden seit Ende der 80er Jahre eine Art Grundlagenforschung und eine konsistente Werkgruppe. Im Schnitt musikalisch und rhythmisch, im Sujet bei aller Einfachheit immer wieder ueberraschend komplex, sind diese Videobaender voller blitzartiger Ironie.

Wolfgang Staehle
Vers la Victoire

Eine Aluminiumleiter, ein kleiner Monitor mit Videoplayer, angetrieben von einer Autobatterie, und die Textzeile "Vers la Victoire" auf dem Monitor bilden die Komponenten dieser Low-Tech-Arbeit. Das Textbild ist einer franzoesischen Kriegswochenschau der 40er Jahre entnommen und laesst die Leiter als symbolische Treppe "zum Sieg" erkennbar werden. Die hintersinnige Verbindung mit einer billigen Haushaltsleiter und der Plazierung des "Fernsehens" auf dem obersten Treppchen unterlaufen die einfache Symbolik und konterkarieren den Text. Jeder Sieg kann sich schliesslich als Pyrrhussieg herausstellen. Die Macht des Fernsehens ist allgegenwaertig, auch improvisiert ueberall empfangbar. Dem Kuenstler bleibt nur die ironische Geste, dass auch das Fernsehen an einer Batterie haengt, der ja irgendwann den Saft ausgehen muss.

stubnitz kunst.raum.schiff
Medienlabor (Logo)

Die MS Stubnitz war Teil der Hochseefischfangflotte der ehem. DDR, sollte verschrottet werden und wurde stattdessen 1991-92 im ostdeutschen Ostseehafen Rostock von einer Gruppe oesterreichischer, schweizer und deutscher Kuenstler zu einem Produktions- und Praesentationsort fuer Kunst und Kultur umgebaut: ein schwimmendes Medienlabor und Ausstellungszentrum mit Satellitenverbindung fuer Fernsehen und Internet, Performanceraeumen, einer zum Konferenzraum umgebauten Offiziersmesse und Kajueten fuer mitreisende KuenstlerInnen. Im Sommer 1994 trat das Projekt "stubnitz kunst.raum.schiff" mit der "baltic.tour '94" in seine mobile Phase: Die MS Stubnitz lief die Haefen von St. Petersburg (Juli), Malmoe (August) und Hamburg (September) an, jeweils mit einem dichtgedraengten Programm von Konferenzen, Seminaren, Ausstellungen, Workshops, Konzerten. Nach gescheiterten Bemuehungen um eine weitere Finanzierung kehrte die MS Stubnitz Ende September 1994 nach Rostock zurueck. Das Projekt "stubnitz kunst.raum.schiff" wurde fuer beendet erklaert. Mit der Stubnitz verband sich die Vision von kulturellen Begegnungen in Europa, die nationale, territoriale Grenzen ignorieren koennen und die Offenheit und Freiheit der Meere zur Metapher erheben.

Evelyn Teutsch
Foogue

Die Urbarmachung der virtuellen Welten. Auf dem Planeten ***FOOGUE*** befindet sich ein Forum, ein Austauschknotenpunkt aller Ideen und Fragen, die das neue Medium aufwirft. Hier haben Bewohner die Moeglichkeit, VR-Erfahrungen zu machen, diese zu kommentieren und kuenstlerisch zu verarbeiten, eine Art Werkstatt, deren Output auf ***FOOGUE*** zu besichtigen ist. Es ergeben sich Fragen nach Sinn und Moeglichkeiten des Koerpers im Cyberspace oder dem Potential dieser Virtuellen Welten bei der Rekonstruktion von Geschlecht, Fragen nach der Zukunft des Menschen, nach dem Wesen von Technik, Grenzueberschreitungen. Grenzueberschreitungen sind waehrend des Prozesses der Urbarmachung auch im formalen Bereich zum wichtigsten Ziel geworden. Aufbauend auf der Entstehungsgeschichte des ersten MOOs als Kind der Hackerethik, ergaenze ich die blosse Bereitstellung von Rechnerkapazitaet und Moeglichkeit zur kreativen Entfaltung innerhalb des MOO-Codes um den Versuch, diese Welt zugaenglicher zu machen, den Einstieg fuer Netz-Neulinge zu erleichtern und Wissensmauern zu durchbrechen. Durch Browserkompatibilitaet, einem benutzerfreundlichen Interface und der 3D-Visualisierung des Planeten (mittels VRML) soll dieses Ziel erreicht werden, ohne der Welt an Tiefe zu nehmen.

Rosemarie Trockel
Untitled (Strickbild)

Die Textur elektronischer Bilder besteht aus Pixeln, fotografische haben eine Koernung und das Strickbild besteht aus Maschen. Was unsichtbar bleibt, ist das Bilderzeugungsprogramm: Selbst bei diesem handwerklichen und hausgebraeuchlichen Material ist es eine computergesteuerte Strickmaschine, die fuer Rosemarie Trockel Embleme, Markenzeichen und in diesem Fall auch ein Comicbild generiert. Der offensichtliche Zusammenhang zwischen Strickbildern und Strickvideos wie dem animierten Wollknaeuel in "Tweedle" weisen jedoch auf ein komplexes Gewebe von Querverbindungen und vielfaeltigen Verflechtungen, das grundlegend fuer das Gesamtwerk von Rosemarie Trockel ist.

The Thing
Wien, Koeln, New York u.a.

The Thing war das erste Projekt, das aus einer konzeptuell orientierten Kunstszene heraus in den neuen Kommunikations-, Distributions- und Produktionsraum der Datennetze trat. The Thing ging Ende 1991 als einfaches Mailbox- oder Bulletin-Board-System (BBS) in New York ans (Telefon-)Netz. 1992 kam die zweite Station, The Thing Cologne, dazu, im November 1993 The Thing Vienna und andere. Den (inter)aktivsten Bereich von The Thing stellen die verschiedenen Messageboards dar, Foren fuer Diskussionen, fortlaufende Dialoge und offene Informationsfluesse. Seit 1995 ist The Thing unter einer neuen Oberflaeche im World Wide Web des Internet praesent und fungiert auch hier als Plattform fuer Produktion und Praesentation von Kunst und ihrem Diskurs. Das Kommunikationsnetzwerk "The Thing" hat heute mehrere Knotenpunkte: The Thing Vienna (Helmut Mark, Max Kossatz) The Thing New York (Wolfgang Staehle) The Thing Frankfurt (Andreas Kallfelz) The Thing Koeln (Michael Krome)

Timm Ulrichs
Checked Baggage

Die Fotoserie "Checked Baggage" dokumentiert das zu rechteckigen Assemblagen geformte und gerahmte "Innenleben" durchleuchteter Reisekoffer und -taschen von zufaelligen Passagieren auf einem deutschen Flughafen (Hannover-Langenhagen), wie es beim tiefen, durchdringenden und voyeuristischen Blick eines zur Gepaeckkontrolle verwandten Roentgengeraetes (Heiman HI-SCAN 9050) auf dem Bildschirm erscheint. In gleicher Weise wie die Koffer und ihre Inhalte behandelt und ueberprueft und wie diese einer unter die Haut gehenden Recherche ausgesetzt, offenbart auch der Autor - als "glaeserner Mensch" - sein Inneres: das Skelett, die Innereien und Eingeweide. Die fotografischen Untersuchungsbefunde wurden einem Konzept von 1975 folgend (...) in Langenhagen, am 30. Juni 1987 aufgenommen.

Fred Froehlich Norbert Meissner
association apsolutno

Das Konzept der jugoslawischen Kuenstlergruppe geht vom Begriff der Energie aus: sowohl der Energie, die von Menschen produziert, kontrolliert und genutzt wird, als auch der Energie, die man als kreatives menschliches Potential begreifen kann. Fuer die Visualisierung werden komplementaere Elemente eingesetzt: Mensch/Maschine, Schwarz/Weiss, Lettern/Ziffern. Horizontale (Grafik-Animationen) und Vertikale (ein Mund, der die Laute des Alphabets formuliert) fungieren einerseits als separate visuelle Teile, ergeben aber auch synchronisierte dynamisch-rhythmische Kompositionen. Durch das minimale Prinzip und die einfach gehaltene Aesthetik steht "1999 Apsolutno 1" in starkem Kontrast zu den High-Tech-Effekten herkoemmlicher Videoproduktionen.

Jan Verbeek
What you get is what you see

Bei der Videoskulptur "What you get is what you see" fordert ein Schlitz mit der Aufschrift "Muenzeinwurf hier" den Betrachter auf, aktiv zu werden. Das Prinzip der Skulptur ist dem von Spiel- und Gluecksspielautomaten vergleichbar. Hier aber bekommt der Betrachter fuer sein Geld nichts anderes vorgefuehrt als den Fall seiner Muenze selbst: Etwa sieben Sekunden nach dem Einwurf kann er auf dem Monitorbild oberhalb des Einwurfschlitzes beobachten, wie seine Muenze auf die anderen, schon vorher sichtbaren, herabfaellt und dort als eine der obersten liegenbleibt. Jan Verbeek reduziert das Prinzip von Geldwert und Gegenwert bis an die Grenzen und fuehrt es spielerisch ad absurdum.

Maria Vedder
PAL oder Never The Same Color

Aus dem Kampf um technische Innovation geht nicht immer, siehe auch die Durchsetzung der VHS-Videonorm, das bessere System als Sieger hervor. Maria Vedder untersucht hier den "Kampf" zweier Normen der Fernsehwiedergabe in einer farbintensiven und variationsreichen Videocollage. Es handelt sich um eine Auftragsproduktion fuer die Photokina-Bilderschau ueber die Kulturpreistraeger der Deutschen Gesellschaft fuer Fotografie, zu denen einst Walter Bruch, der Vater der europaeischen PAL-Fernsehnorm, gehoerte. PAL zeichnet sich durch eine bessere Farbstabilitaet gegenueber dem amerikanischen NTSC-System aus, das deshalb im TV-Jargon den Spitznamen "Never The Same Color" erhielt. Maria Vedders Videotape, das als Installation eine der fruehen Videowallsysteme nutzte, spielt mit Ironie - eine deutsche Nachrichtensprecherin der 60er Jahre dient hier als unfreiwilliges Demonstrationsobjekt - wie auch optischer Opulenz die technischen Bedingungen der Wiedergabe von elektronischen Farben durch. Zwischen Rot, Gruen und Blau liegen also Systemwelten, aber Maria Vedder ordnet diesen Farben auch symbolische Werte zu, die sie aus der mythischen Begriffswelt des indischen Buddhismus ableitet. Der in der Installation herausgeloeste und seitlich plazierte Monitor laesst zudem den einzelnen Pixel als Baustein eines Videobilds plastisch werden.

Thomas Moritz Guenther Petzold Wolfgang Przibilla
Videowerkstatt

(...) Eine kleine Gruppe von Kuenstlern (Thomas Moritz, Volkmar Nickel, Guenther Petzold, Sabine Pommerening, Wolfgang Przibilla, Wolfgang Schnecke u.a.) begann, unabhaengig vom Programmauftrag des Fernsehens und frei von redaktionellen Bindungen, subjektive Gestaltungsabsichten mit elektronischen Mitteln umzusetzen. Collage-aehnliche Montageprozesse (Bildueberlagerungen, Trickblenden, Chroma-Key-Austastungen) und Verfahren der elektronischen Bildveraenderung wurden eingesetzt (Solarisationseffekte, Farbbeeinflussungen, Kontrastverschiebungen) , um visuelle Assoziationen zu erzeugen, authentische und fantastische Vorgaenge zu kombinieren, reale und visionaere Bildablaeufe zu mischen. Bis auf wenige Ausnahmen wurden alle Arbeiten an einem 7-stuendigen Produktionstag inkl. Endfertigung realisiert. Aufgezeichnet auf 1-Zoll SECAM wurden ca. 25 Beitraege produziert, die erstmals auf dem Europaeischen Medienkunstfestival Osnabrueck 1989 und dem VideoFest Berlin 1990 dem westlichen Publikum gezeigt werden konnten. Mit der Aufloesung des DFF 1991 fand auch die Videowerkstatt ihr Ende.

Wolf Vostell
Fluxus Zug / Das Mobile Museum Vostell

Ein Kunst-Zug aus 7 Environments ueber Liebe, Tod und Arbeit Die vitale Industrie- und Kulturlandschaft in Nordrhein-Westfalen mit ihrer heterogenen Bevoelkerung ist fuer das Projekt mein Dialogpartner. Mein Anliegen ist, Objekte und Bilder fuer einen Zug zu komponieren, die sonst in diesem Zusammenhang in keinem Museum gezeigt werden koennten. Der Zug besteht aus 9 Containern, die von mir als 7 Environments entworfen und ausgefuehrt werden. Der Zug faehrt von Stadt zu Stadt und kann so waehrend seines Aufenhalts in die jeweilige individuelle Kunst- und Kulturszene kurzfristig integriert werden. Am ersten Tag wird die Ankunft mit einer Premierenfeier und einer Pressekonferenz begleitet. Der Zug ist als lebende "Kunstschule" konzipiert, wo die Menschen mit dem Kuenstler Erfahrungen austauschen und eigene Reflexionen mit einbringen koennen. Inhaltlich und formal sind die Arbeitswelt mit ihren Materialien - die Entfremdung des Menschen -, aber auch Glueck und Spiel meine kuenstlerischen Themen des Zuges, der der Fluxus-Gruppe gewidmet ist. Eine Oeffnung des traditionellen Museums, meine mobile Kulturarbeit.

Helena Waldmann
Gluecksjohnny

"In 'Gluecksjohnny' ist alles zweigeteilt wie das Bild auf einer Spielkarte. Die dreidimensionale Buehne ist ein perspektivisches Vexierspiel aus raeumlicher Tiefe und Flaechigkeit. Es entstehen imaginaere Raeume, aus denen es wie fuer Brechts Pokerspieler kein Entrinnen ins Reale gibt." (Helena Waldmann) Der einzige auf der Buehne anwesende Darsteller ist nur als Schattenriss oder Projektion zu sehen. Der Soundtrack mischt Stimme und Musik, die Video- und Lichtprojektionen auf Leinwand und Spiegelfolien erschaffen, oeffnen, manipulieren den Raum. Die Urauffuehrung erfolgte am 15.5.1998 im Kuenstlerhaus Mousonturm, Frankfurt/M.

Anja Wiese
Civilized Animism (Gedichtmaschine)

"Civilized Animism (Gedichtmaschine)" besteht aus 16 hintereinandergeschalteten, kreisfoermig angeordneten Tonbandgeraeten. Ueber die Tonkoepfe der Maschinen wird eine Endlosschleife transportiert. Die Lautstaerke der Geraete ist, unterschiedlich justiert, auf den Raum abgestimmt. Die Tonspur setzt sich zusammen aus hintereinander kopierten, jeweils einen Meter langen Tonsequenzen, auf denen eine menschliche Stimme (die der Kuenstlerin) Tierlaute imitiert. Die Lautsequenzen wiederholen sich auf unregelmaessige Weise, und es entsteht so ein (maschinell erzeugtes) Stimmen-/Lautorchester, das durch den Raumhall noch verstaerkt wird. "Civilized Animism" ist dem Fluxuskuenstler Dick Higgins gewidmet, der Ende der 50er Jahre den Begriff Intermedia praegte.

Festival
Werkleitz Gesellschaft e.V. Werkleitz Biennale

Im jaehrlichen Wechsel mit OSTranenie an der Stiftung Bauhaus Dessau findet die Werkleitz Biennale statt, ein grenzueberschreitendes, internationales Forum fuer Medien und Kunst mit dem Schwerpunkt auf neuen kuenstlerischen Ausdrucksformen und Techniken sowie Projekten mit Forschungscharakter. "Tapetenwechsel " (1993) in Werkleitz/Ziegelei und in Magdeburg/Moritzhof war noch ein Festival mit rein deutscher Beteiligung, "Cluster Images - transmediale Bilder, parallele Netzwerke" (1996) praesentierte dann internationale Arbeiten aus den Bereichen Film/Video, Bildende Kunst, Performance und Neue Medien/Digitale Bilder, die einen offensiven Beitrag zur aktuellen Diskussion um Funktionsmoeglichkeiten oder Funktionszuweisungen in der Kunst leisten. Die Beitraege setzten sich aus eingeladenen und jurierten kontextbezogenen Werken zusammen. "Sub-fiction" (1998) arbeitete schliesslich erstmals mit sechs Bereichskuratoren, die dem Thema entsprechende Arbeiten und Kuenstlerprojekte auswaehlten.

Klaus Schoening
WDR Studio Akustische Kunst

Unter der Leitung von Klaus Schoening vollzog sich die Entwicklung des Studios von einer Redaktion mit einem Repertoire-Programm von Original-Hoerspielen sowie begleitenden Sendungen zu einer zunehmenden Losloesung von den Kriterien des literarischen Radiodramas und der konsequenten Einbindung in die intermediale Tradition der Geschichte der Akustischen Kunst. Das woechentliche Programm bildet heute ein offenes Atelier fuer KuenstlerInnen aus Bereichen wie Literatur, Lautpoesie, Neue Musik, Pop und Jazz, Neues Hoerspiel, Film, Bildende Kunst, Video-, Computer- und Performancekunst. Ziel der Aktivitaeten des Studios ist es, eine Sprache der Akustischen Kunst im Radio zu entwickeln, aehnlich der Sprache der Bilder des Films.

Eku Wand
Berlin Connection

Inhaltlich ein Dokumentarthriller wird die Handlung der "Berlin Connection" interaktiv erzaehlt: Die CD-ROM startet mit Titel, Melodie und einer aus Images und Sound kombinierten historischen Einleitung ueber die geteilte Stadt wie ein Kinofilm - der Zuschauer findet sich allerdings direkt anschliessend als Fotograf im Szenario eines Computer-Detektivspieles. Durch Anklicken und Scrollen muss er Reihenfolge und Fortgang der Handlung beeinflussen. Die Bildflaeche ist aufgeteilt zwischen einer Quick-Time-Movie-Flaeche, auf der aber ueberwiegend sequentiell aufeinander folgende Fotos die Spielfilmszenen ersetzen, und einem Rahmen, in dem Werkzeuge fuer die Spurensuche wie Kamera, Stadtplan, Tageszeitung und Agentenkoffer abgelegt sind, die in vorgegebenen Situationen aktiviert werden muessen.

Georg Winter
Ukiyo Camera Systems

Ein "Entwicklungsbuero fuer Kameratechnik und Neue Medien" tut gut daran, auch die Technikfolgen zu beruecksichtigen. Praeventive Trockenuebungen mit Hilfe der Systemtechnik "Ukiyo Camera Systems" sollten zum Standard heutiger professioneller Ausbildung gehoeren. Als sinnvolle Ergaenzung zur professionellen Einstellung bietet Georg Winter darueberhinaus mediale Lockerungsuebungen an. "Durch Uebungen mit Fingern, Haenden und den Augen kann im Sinne vertrauensbildender Massnahmen (soziale Fellpflege) ein mediatoxisches Feld entspannt werden." Ein "Medienkeil" zum entspannenden Fernsehen wie auch praktische Uebungsprogramme am oder vor dem Mediengeraet zur Staerkung achtsamer Zwischenbeziehungen (heedful interrelations) runden daher die Produktpalette ab.

Herbert Wentscher
Alles bestens - Videolieder

30 selbstgebastelte und witzige 1-minuetige Repliken auf den Boom des Videoclips, der mit der 1982 beginnenden Eroberung eines TV-Publikums durch MTV einherging, bilden wie nebenbei auch einen Parcours durch die bundesrepublikanische Gesellschaft der 80er Jahre. Der Dilettantismus, das gespielt Naive und Banale, sind nur als Gegenpol zur glatten Oberflaechenaesthetik der kommerziellen Videoclips zu verstehen. DIY - Do It Yourself - das war auch produktionsbezogen Herbert Wentschers Maxime, vor und hinter der Kamera, textlich wie musikalisch. Diese notorisch optimistischen Kurzerzaehlungen der "Videolieder" trafen den Zeitgeist der deutschen Pop- und Videoszene, die sich einerseits musikalisch der "Neuen Deutschen Welle" mit ihren infantilen deutschen Pop-Texten erfreute und zum anderen der konzeptuellen, "anstrengenden" Videokunst der 70er Jahre den Ruecken gekehrt hatte, um eine "Neue Narration" zu praesentieren.

Achim Wollscheid
light-net

Funktion findet nur dann statt, wenn Aktion auf Seiten des Betrachters einsetzt. Sprache oder Bewegung, sofern sie mit Geraeusch verbunden sind, loesen Impulse fuer die Netz-Elemente aus: Bewegte Patterns, bestehend aus divergierend pulsierenden Lichtblitz-Reihen, spiegeln oder begleiten die Bewegung des Klangs. Das Licht beleuchtet hier nicht - es ist die Information, die den Zustand einer sich veraendernden Lichtkomposition gegenueber ihrem Ausloeser definiert: Sobald die Bewegung, die ihren Klang auf dem System in Lichtbewegung gespiegelt sieht, reflexiv wird, veraendert sie sich und damit auch ihre Transformation auf dem Netz. Raum wird somit zum Interface, zum Eingabefeld fuer Information - geschnitten von einem Screen, der die Ausgabe der transformierten Information mit der Eingabe rueckkoppelt.

Peter Weibel
Die Wand, der Vorhang (Grenze, die) fachsprachlich auch: Lascaux

Die Hoehlenzeichnung von Lascaux, die den Hoehepunkt der eiszeitlichen Felsbildkunst um 15 v. Chr. darstellt, wird als Bild im Computer gespeichert und mit einem Datenbeamer auf eine Leinwand projiziert. Tritt ein Betrachter vor die Leinwand, wird sein Bild von einer Kamera erfasst und erscheint mit kurzer Zeitverzoegerung als verzerrte Silhouette im Bild auf der Leinwand. Dort loest jede Koerperbewegung Bildverzerrungen aus. Der Betrachter wird zum Teil dessen, was er beobachtet. Weibel nimmt die Hoehlenmalerei von Lascaux zum Anlass, ein neues Schnittstellenmodell zu entwerfen, das unsere heutigen Vorstellungen der Welt- und Raumwahrnehmung praegt.

Tamás Waliczky Anna Szepesi
The Garden

Die Welt ordnet sich den Bewegungen eines Kindes unter, indem alles in der optischen Perspektive von 360 Grad dargestellt wird. Das Konzept der linearen Perspektive, das wir seit der Renaissance kennen, wird durch ein neues System abgeloest, dem "Wassertropfen-System". Frage: Ist dieser Film eine Art zwei-dimensionaler virtueller Realitaet? Antwort: Nein. Virtuelle Realitaet bedeutet, dass wir unsere kuenstliche Welt konstruieren. Mich interessiert die reale Umgebung, hier die Welt meiner Tochter.

V. A. Woelfl
Flagge

Die Installation "Flagge" besteht aus drei uebereinandergestapelten Fernsehgeraeten, deren Bildflaechen gegen die Wand gedreht sind. Man kann die Bildflaeche selbst nicht sehen, nur ihren Widerschein wahrnehmen. Diese Reflexion an der Wand erzeugt den Eindruck einer Fahne, hier der hollaendischen, indem die Apparate in den Farben Rot, Weiss und Blau eingestellt wurden.

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copyright: bei den Autoren + Redaktion Scrollheim: Ana Dimke (ad), Peter Dimke (pd), Ulrike Haussen (uh), Karl-Josef Pazzini (pz)

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