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JE LIS TA PEAU Paris / Hôpital de la Salpêtrière / uh
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Rueckblick oder Nachruf ... Mäerz 2003 / pd
Am Ende der Dotcom-Ära sehen viele Beobachter auch die Internet-Kunst tief in der Krise – der nachfolgende Text blickt auf die sogenannte net.art zurueck und zeigt den Uebertrag zur bzw. die Unvereinbarkeit mit der Bildenden Kunst auf.
Nach einem Essay ueber Absturzkünstler
in der Zeit Nr. 49 / 2002
verlassen viele InternetKuenstler ihren Wohnsitz im Netz und versuchen sich auf
Wegen der traditionellen Kunst: „Heath Bunting ueberschreitet Grenzen,
und das im woertlichen Sinne. Seit einem Jahr passiert der britische Kuenstler
die innereuropäischen Grenzen ohne Genehmigung und ohne Papiere (…) Ein
Kuenstler, der seit 1994 mit dem Internet arbeitet, gibt so ploetzlich einen
der zentralen Vorteile dieses Mediums auf: dass die Arbeiten, die er online
produziert hat, jederzeit und ueberall von jedem vernetzten Computer aus
zugaenglich sind. (…) Aber seine neue Arbeit ist auch Zeichen einer
Desillusionierung: Er ist enttaeuscht von den Moeglichkeiten, die das
Internet bildenden Kuenstlern bietet. Und er ist nicht der Einzige, der dem
Netz als kuenstlerischem Medium inzwischen skeptisch gegenuebersteht. Auch um
andere Kuenstler, die zusammen mit ihm ihre Karriere im Internet gestartet
haben, ist es still geworden.“
Inzwischen ist sich auch der slowenische Netzkuenstler Vuk Cosic
sicher: „Auch wenn wir frueher das Gegenteil behauptet haben, glaube ich heute,
dass die Kunstwelt unser vorbestimmtes Ziel ist.“ Internet-Insider und Verfasser des
Kunstabsturzes ist Tilman Baumgaertel:
„Der Crash des Internet-Marktes seit 1999 dürfte seinen Teil zum derzeit
fehlenden Interesse an Netzkunst beigetragen haben: Obwohl die
Internet-Künstler den Auswüchsen der New Economy kritisch bis ablehnend
gegenüberstanden, werden sie nun zu Opfern des Backlashs gegen das
Internet in den letzten drei Jahren.“ Vielleicht koennte man hier auf die
enttäuschenden Möglichkeiten, die das Internet bildenden Künstlern bietet,
zurueckkommen und versuchen, sie aus kunstwissenschaftlicher bzw.
medientheoretischer Sicht zu formulieren: Fast ein Jahrzehnt lang konnten sich
die Propagandisten sogenannter Internet-Kunst auf politische Motivation,
informatorische Agressivitaet, verkuerzte Interaktivitaet und kleinkriminelle
Attacken Ihrer Aktivisten im Netz verlassen. Mit dem code net.art war die Sache
auf den Punkt gebracht und zu Kunst gemacht. Nun steckt, nach dem Ende der Dotcom-Aera, auch die Internet-Kunst tief in
der Krise. Die Artisten, Artisanen und Wortfuehrer des Internet
wollen darauf hin ihrer selbstgestrickten net.art-ideologie entkommen und
versuchen einen Uebertrag auf das abgesteckte
Feld der bildenden Kunst. Damit konnte man im eigentlichen schon vor der
Zeit rechnen. Aber nicht in Folge des NewMarket-BoersenCrashs, sondern aufgrund
mangelnder Offenheit und Unbegrenztheit der Netzkunst. Kunst, auch im Kontext
Internet, hat nicht selbstreglementierenden Manifesten à la America, Blank,
Baumgaertel, Bookchin, Shulgin (…) zu folgen. Das klingt pathetisch: Kunst
bleibt frei, auch wenn sie ein Medium zum kuenstlerischen Material macht,
sonst vertrocknet sie an ihrer gutgemeinten Bestimmung. Net.art ist - oder
war? - ein anerkannter Markenartikler. Nicht erst, seitdem Baumgaertel sein Buch so genannt hat
(99) oder Josephine Bosma sich in den kleinen Punkt zwischen nett und
artig verliebte: "I like the term 'net.art', especially because of that
little dot in it" (97). Unter dem Label Net.art arbeiten Kuenstler mit und
ohne Netz im Internet: Netzkuenstler, bildende Kuenstler, Net.artists aber auch
Aktivisten, die dich anherrschen: "Mann, was ist denn Kunst? (...)
Vergiss es!" So jedenfalls Jodi in einem Interview. Dabei ist die
Frage Schnee von gestern. Joachim Blank hat sie in seinem Aufsatz (96)
beantwortet: What is
netart ;-) ? Natalie Bookchin,
Alexei Shulgin haben ihr Manifest: Introduction
to net.art im Netz ausgelegt, das klugerweise mit einem Utopian
Appendix: "After net.art" versehen ist (99). Egal ob sie sich auf
Joseph Kosuth's "Art after Philosophy" (69) bezogen haben oder
nicht. Unmutige Kunsthistoriker, unlustige Medienwissenschaftler nehmen die
Artivisten im Netz nicht ernsthaft zur Kenntnis, denn sie wissen: "etwas
ist Kunst oder eben keine Kunst". Unter diesem Paradigma werden die
derzeitigen Netzkuenstler wohl auch (... in einer fernen Zukunft) eingeordnet
und/oder eingeebnet. Mir selbst ist nicht bekannt, was
sogenannte Net.art sein sollte. Kunst laesst sich nicht so einfach ausdeuten
oder eingrenzend spezifizieren. Vielleicht koennte eine richtig gestellte Frage
helfen: was ist das, was das ist ;-) Net.art ? Fragt man, wie Isabelle Graw es auf NetzKunst bezieht, ... "nach einem Aequivalent zum
Moment des Irreduziblen in der Kunst, der Idee des nicht sofort in Sinn
aufgehenden Ueberschusses, sucht man (...) vergeblich", denn
"Hypertext ist noch kein Garant fuer Rhizomatik und Sinnverfluessigung"; Texte zur Kunst. Aus der Sicht der
Bildenden Kunst ist das, was von der NetzKunst bleibt, oft zu anekdotenhaft, zu
pragmatisch, zu sehr auf den Punkt gebracht, zu deutlich fuer die Sparte
net.art produziert, zu wenig auf Offenheit und Interpretation in bezug auf die
Gesamtheit von Kunst + Kultur angelegt. Diese Einsicht teilen aber die
wenigsten Sprecher bzw. Institutionen, die net.art definieren, vertreten oder
eine website fuer ihre Favoriten eingerichtet haben. Um sich ein eigenes Bild
von Kunst im Netz zu machen, bedarf es an Interesse und Ausdauer, denn das
verzweigte System der links im Internet hat schon so manchen Surfer von seinem
eigentlichen Vorhaben abgebracht. Darum hier nur eine site, von der man die
rechten links erwartet: Google NetArt Es waere problematisch, die
netzkuenstlerischen Anstrengungen, die nicht im Hinblick auf die Moderne
(Konzeptionalitaet, Kontextualitaet, ...) angelegt sind, falsifikativ
auszuschliessen, denn die substantielle Bedeutung von Kunst/Moderne liegt auch
beim Uebertrag ins Netz in ihrer Erneuerung auf sogenannt ausserkuenstlerischen
Feldern Werbung (Toscani / Benetton),
Musik-Clips (Kraftwerk, Pet Shop Boys,
Bjoerk, Yellow), Fernsehen (Schmidt,
Schneider, Ulmen, Stuckrad-Barre), Netz (CCC, jodi, etoy, rtmark). Damit sind die kuenstlerischen Methoden
veraendert. Sie sind als ausdrueckliche Strategien der Beobachtung der
Beobachter von Kunst und Gesellschaft zu verstehen. Wesentlicher als der
materielle Abzug des Kunstwerkes an der Galeriewand oder der virtuelle Ansatz
eines InternetProjektes, ist die kuenstlerische Haltung ausserhalb der
Ideologien der Institutionen Kunst oder Netz anzusehen. In der Spezifikationphase eines
(technischen) Mediums beziehen sich die kuenstlerischen Anstrengungen auf die
Moeglichkeiten des zu erforschenden Mediums und oft sind sie gleichzeitig gegen
die vermeintlichen Machthaber des medialen Systems gerichtet. Bei der
partisanenhaften Eroberung des Netzes, fuehrten die AngriffsStrategien
letztlich dazu, dass das System der oekonomischen Nutzung strukturell
verbessert und augenblicklich abgedichtet wurde, so wie die HackingAttacke des
Chaos‑Computer‑Clubs bei der Deutschen Bank zeigte. Hier wird
deutlich, dass subversive Herangehensweisen nur SekundenKunst entstehen
lassen. Die politische Korrektheit der NetzKunst, die sich mit der notwendigen
Spezifizierung des Mediums Internet eingestellt hat, ist vom Verschwinden
bedroht. Dies sollte hier aber nicht als Problem aufscheinen, da die meisten
klein- oder quasi-kriminellen Art-Unternehmungen ueberkommenen revolutionaeren
Ideen verhaftet bleiben werden. Aber wem ist geholfen, wenn - nur
zum Beispiel - die manifestierten Vorgaben von Bookchin + Shulgin abgearbeitet
werden? Unter der heraufbeschworenen Maxime: "The practical death of
the author" verfolge ich die Stichworte: "Chose Mode =
Activist", "Parasitism as Strategy: 7. Be sincere. 8. Shock. 9. Subvert (self and others)" … ich lasse mich
belehren, ernsthaft Punkt fuer Punkt; dann lese ich noch einmal laut,
spreche ich die Thesen aus: ... alles ironisch ;-) ? gemeint. Sechs Prinzipien hat Tilman Baumgaertel dem sozialen Anstand oder
dem Gelingen von Netzkunstwerken zugrunde gelegt: "Konnektivitaet,
Globalitaet, Multimedialitaet, Immaterialitaet, Interaktivitaet und Egalitaet",
nun (...) wenn ich alle meine Sinne zusammennehme, kann ich die Kunst der
Moderne (also seit der franzoesischen Revolution) ziemlich locker ueber diese
Kriterien springen lassen. Stefan Krempl meinte aufgeschlossener Weise sogar:
sie, die Prinzipien, treffen "auf so ziemlich jede Website zu". Man
koennte z. B. auch die Meinung gelten lassen, dass "Buecher immer noch die
besseren Hypertexte sind", denn gedankliche Querverweise und
Fussnoten erlauben schon lange den globalen Diskurs, nicht nur der Dichter und
Denker. Oder anders und Watzlawick weitergedacht, koennte ich behaupten,
dass ich oder mein Gegenueber (Subjekt oder Objekt) sowieso nicht nicht
interaktiv sind. Die Spezifikation des Netzes, die ohne Zweifel
einer Kunst im Netz zugrundeliegt, ist nicht selbst eine Kunst. Unter
medientheoretischen Aspekten steht die Kunst darum heute
erwartungsvoll am Ende der
Klassifizierung des Mediums Internet. Die Malerei hat mit der Erfindung
der Fotografie ihre eigenen spezifischen Ausdrucksmittel und
Abstraktionsformen herausgebildet. Der Druck nachfolgender Medien verwirft und
verschiebt immer den gesamten Medienverbund. Wie also veraendert sich
Fotografie, Audio, Video und Fernsehen als Kunst, wenn wir deren schon
moegliche Digitalisierung einbeziehen? Vielleicht bleibt uns von der
materiellen fotografischen Abbildfunktion, von dem fotografischen Bild, von dem
perspektivischen Weltbild nur die daraus entstandene heutzutage
vorherrschende Weltanschauung. Hinter der Spezifitaet des Netzes verbirgt sich
ein Rechner, ein Computer: die Universelle Maschine. Sie ist kein
Werkzeug und kein Denkzeug, sie ist, wenn man so will, ein Simulationszeug. Mit
dieser Veranlagung zur Simulation (der Simulation), ist das wwweb wie alle
technischen Kommunikationsmedien grundiert. Auf Grund der Universalitaet des
Computers, die auch als Spezifik des Unspezifischen beschrieben werden kann,
ist nicht die Frage zu stellen, ob seine Spezifik in Bild-, Ton-, Text- oder
einer anderen Verarbeitung liegen koennte. Der Vorteil ist, dass prinzipiell
alles im Computer gehandhabt werden kann. Diese un.Spezifik kann in der
Moeglichkeit der Verknuepfung unterschiedlichster Medien gesehen werden - und
in der Moeglichkeit diese Moeglichkeiten iterativ weiterzudenken. Der Computer,
der in seiner un.Spezifik dem Netz und damit auch der net.art
zugrunde liegt, ist das.Medium. So gesehen ist auch keine spezifische (an
aesthetische Bedingtheiten gebundene) Computer-
oder Internet-Kunst zu denken. Sie
ist von wissenschaflichen Diagrammen, journalistischen Aufmachern, gutem Design
ebenso wenig zu trennen oder zu unterscheiden, wie von privatistischen Erguessen
oder grundlos angerichtetem Kitsch. Entscheidend ist hier der konzeptionelle
Ansatz in Uebereinstimmung mit der Haltung des Kuenstlers oder einer
beliebig privaten Person. Indem man diese un.Spezifik
des Computers auf das Netz uebertraegt, erschliesst sich ein unbegrenztes Feld.
Hier kann jede bedeutungsfreie oder verantwortungslose Person private
Simulationen auf den schwankenden Grundlagen des Netzes befestigen, aus dem
"so-tun-als-ob-Bereich" herausheben und institutionalisieren. In
dieser Ueberpruefungsphase des Mediums Internet, liegen die
ueberkommenen kuenstlerischen Verfahren der "ver-Wendung" des
Materials auf der Hand. Und in der Tat werden heute Aesthetik, Kommunikation,
Hardware, Software, Interfaces und das System selbst vom Kopf auf die Fuesse
gestellt. Oder etwa umgekehrt, weil auch diese Moeglichkeit im Programm des
Computers vorgesehen ist? Aktivisten im Netz spielen Ueberraschung: poppende
Fenster, verrutschende Buttons, ueberlagerte Texte, warnende Alert-Felder. Nun
gut, wir wissen ja: alles ist moeglich. Der
Browser spielt verrueckt. Die ungebetenen
Gaeste kennen kein Escape, kein Alt-F4, kein Befehlstaste-Punkt. Don't touch a running system? Um nach
Hause zu kommen, lasse ich den Computer mal selbst abstuerzen. Trotzdem: es
gibt keine schlechte oder gute Kunst - und: all diese herzigen
Attacken sieht man ja nur einmal, dann hat man sie gesehen. Kunst ist Kunst
oder eben nicht. Wenn nun so manches im Netz keine Kunst waere, obwohl der
Aktivist dem Manifest gefolgt, den Prinzipien treu ergeben gewesen ist ;-) ? -
dann war es wohl moeglich die not.wendige Arbeit an der globalen Einheit
Kultur. Tilman Baumgaertel hatte den vom
ihm propagierten Anspruch rechtzeitig unter dem Titel net.art zusammengefasst, die Materialien zur Netzkunst sind im Verlag
fuer moderne Kunst Nuernberg als Buch erschienen. Seine Methode kennzeichnete
er als Oral History und versuchte sich als Autor so weit wie moeglich
verschwinden zu lassen. Interviews, die er mit den Kuenstlern gefuehrt hat,
liegen als theoretisches Material vor. Dieser kuenstlertheoretische Aspekt,
indem Kuenstler ueber die Entwicklung ihrer Arbeiten Auskunft geben, stellt
deren Ansaetze unter eine Selbstbeleuchtung, die man in einem kunst- oder
medienwissenschaftlichen Diskurs so nicht installieren koennte. Baumgaertels
eigene Sicht und Vorgaben in bezug auf Netzkunst verweisen u.a. auf die
kunstgeschichtlich umstrittene Autoritaet Clement Greenbergs, der die
amerikanischen Expressionisten innerhalb der spezifischen Bestimmungen des
Mediums Malerei (zu recht) als wahre Kuenstler guter Werke formierte. Das war
in der Zeit angebracht. Vergesssen aber sollten wir nicht, dass vor allem das
Medium Fotografie (seit ~1835) diesen Wirkungsdruck auf die Vormacht der Malerei
ausuebte und sie so mit dem Auftrag zur Selbstdefinition erpresste.
Unverstaendlich erschien damals, dass Baumgaertel die kunstgeschichtlichen
Entwicklung, wie sie sich z.B. in der Nachfolge Duchamps formuliert,
nicht deutlich gemacht hat. Diese Tendenz der ehemaligen Gegenwartskunst ist -
in bezug auf das Medium Internet - geradezu unumgaenglich. An Beuys, Warhol,
Kosuth, Weiner, Sturtevant, General Idea u.a. liesse sich der Uebergang von der
Konzeptkunst (als Stilrichtung) zu konzeptionellen Arbeiten in der Kunst
(als etwas Strukturelles) - in bezug auf das Netz - ausgezeichnet darstellen
und diskutieren, siehe auch scrollheim.de Teilt man diese Ansicht, diese Art
und Weise der Betrachtung und Annahme von Kunst, Netz und ihren transparenten
Oberflaechen, wird man die ueberkommenen Spezifik-Verweise der Netzartisten
und Aktivisten eher als Stolpersteine aus dem Weg haben wollen. Dass sich diese
Sicht und Sinnverweise als Steigbuegelhalter fuer ein Aufsteigen der Netzkunst
auf den kunstspezifisch breiten Ruecken der Kunst herausstellen
koennten, daran will man vorerst nicht denken. Da kommt der Liga der bildenden
Kunst ein Vermittler als ein Wortfuehrer der Netzkunst entgegen: Alexej Shulgin wies auf den Punkt
zwischen net und art hin, durch den der hehre Kunstanspruch gebrochen und Netzkunst
auf Dateiname zurechtgestutzt sei. Moeglich ist aber auch, dass nach dem Punkt der Satz zu Ende ist.
Art & Consumer Culture Schirn Kunsthalle ... Incessantly producing new desires, promises, and temptations, the colorful consumer world has become a decisive element of today's life. Being both public ritual and leisure-time activity, pleasure and entertainment, shopping reflects the culture and the values of society. The exhibition ”SHOPPING,” presented at the Schirn Kunsthalle Frankfurt from 28 September to 1 December 2002, documents 100 years of mutual fascination, interaction, and reconciliation in the relationship between visual art and the consumer culture's aesthetics, strategies, and techniques of seduction.
”SHOPPING” presents more than 70 artistic positions, including works by Eugène Atget, Man Ray, Marcel Duchamp, Gerhard Richter, Claes Oldenburg, Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Christo, Joseph Beuys, Andreas Gursky, and Jeff Koons. Besides numerous loans from international museums and private collections, major installations by Damien Hirst and Sylvie Fleury, and the reconstruction of the legendary Pop art show ”American Supermarket,” the exhibition comprises several works specifically developed for it by Haim Steinbach, Barbara Kruger, Ben Vautier, Olaf Nicolai, Guillaume Bijl, and Surasi Kusolwong. ”SHOPPING” is curated by Max Hollein, director of the Schirn Kunsthalle Frankfurt, and Christoph Grunenberg, director of the TATE Liverpool, and is a cooperation between the Schirn Kunsthalle Frankfurt and the TATE Liverpool.
Max Hollein: ”`SHOPPING' is the first exhibition which thoroughly explores the correlation between consumer culture and modern as well as contemporary art. Throughout the 20th century, artists have been fascinated by department stores as the affluent society's cathedrals and the subtle forms of presenting commodities. `SHOPPING' invites the visitor to roam the vast realm between appearance and reality.”
The main sponsor of ”SHOPPING” is the Credit Suisse (Germany) AG. Wulf Matthias, member of the board, on the reasons for the company's involvement: ”As a global player, Credit Suisse regards the sponsoring of cultural projects as one of its central social commitments in regard to society. A project such as `SHOPPING,' which investigates the reflection of social processes in art, is a logical challenge in pursuit of this objective.” New works for the exhibition could be realized together with a number of partners, such as Strenesse AG, Merck KGaA, Kaiser's Tengelmann AG, Galeria Kaufhof Frankfurt, Parfümerie Douglas GmbH und Fraport AG. The publicity campaign for the event was developed by Saatchi & Saatchi.
Eugène Atget's photographs of shop windows in Paris and works by Berenice Abbott and Walker Evans, which convey an authentic impression of the presentation of commodities and the attitude towards life around the beginning of the 20th century, make up the prelude to the exhibition. One of the first artists turning from documentation to design was Frederick Kiesler with his fundamental studies on the decoration of shop windows. While Surrealism played with the suggestive power of seduction peculiar to mannequins, the Bauhaus explored new forms of presenting industrial products. After World War II, Pop art proved open for popular culture and consumerism: objects of daily use were isolated, enlarged, or alienated, parodied, and turned into fetishes. The sequel of Andy Warhol's Brillo boxes imitates both the mass production and the illusion of boundless abundance. Like no art before it, Pop reflects elements of everyday culture as icons of modern society establishing a style and an identity.
Many artists of that time participated in the 1964 exhibition ”The American Supermarket” in New York's Bianchini Gallery. Besides Andy Warhol's ”Campbell's Soup,” ”Kellogg's Corn Flakes,” and ”Mott's Apple Juice Boxes,” Roy Lichtenstein's ”Turkey,” Jasper Johns's ”Ale Cans,” and a number of other works were presented and offered for sale. The legendary Pop presentation in a stylized supermarket environment will be reconstructed for the exhibition at the Schirn. ”SHOPPING” will also show parts of Claes Oldenburg's 1961 work ”Store,” in which the artist offered self-made products like hamburgers, shirts, and shoes from painted papier-mâché and plaster for sale. While Pop art embraced consumer culture and aimed at creating art for a large public, the Fluxus artists established an international network of Flux shops with the objective to decommercialize art by dodging the capitalist system with their playful and purposeless products and using its distribution structures.
From the seventies and eighties on, Haim Steinbach, Jeff Koons, and Barbara Kruger would also approach the relationship between art and the consumer world in an immediate, sometimes ironical way. ”SHOPPING” shows a number of works from Jeff Koons's famous series ”The New,” in which the artist provided mass-produced Hoover vacuum cleaner models with an aura of something eternally desirable by means of synthetic glass envelopes and neon light. In his special work for ”SHOPPING,” which consists of 50 mannequins positioned along the 80-meter long front of the Schirn exhibition hall, Haim Steinbach highlights the strategies and aesthetics of fashion presentations to be seen in major department stores. The American artist Barbara Kruger, who with her work ”I shop, therefore I am” has certainly created an icon on the subject, also suggests an intervention in public space with her project developed for the show: from the façade of the Galeria Kaufhof Frankfurt, a huge pair of eyes on an area of 2,200 square meters, will watch people walking along the Zeil, one of Germany's shopping streets with the highest turnover – the caption reads: ”Du liebst es, du träumst es, du brauchst es, du kaufst es, du vergisst es” (”You love it, you dream it, you need it, you buy it, you forget it”).
Sylvie Fleury, Guillaume Bijl, and Damien Hirst number among those artists that certainly love a grand mise en scène: the samples shown range from Fleury's gilt shopping cart symbolizing unbridled consumerism and Bijl's truthfully furnished contemporary supermarket to Damien Hirst's ”Pharmacy” alluding to the vulnerability of the body and its role as a design and status object of consumer-oriented people and Andreas Gursky's analytic view of the Prada stores' cool glamour.
Due to their systematical nature, their beauty, and their suggestive power, the methods and special effects of modern shopping – the endlessness, the excessiveness, the abundance, the pyrotechnics of color and form, the emphasis on the surface, and the easy decipherability – meet with an enthusiastic response not only on the part of media society but also of contemporary art. Last, not least, the subject's explosive force and relevance to the present may be seen in the fact that works by a large number of contemporary artists such as Mauricio Cattelan, Wolfgang Tillmans, Roy Arden, Lisa Ruyter, or Miwa Yanagi center around the issue of shopping.
The exhibition includes a graphical analysis by Sze Tsung Leong, which has been developed in conjunction with the ”Harvard Design School Guide to Shopping,” co-edited by Rem Koolhaas: the analysis reveals how shopping culture, architecture, and urban structures determine each other and examines the fact that shopping has become a crucial element of modern cities and, in many cases, their raison d'être. No wonder that shopping seems to have finally turned into a power of consumer society that essentially molds its composition and identity.
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protect me from what I want :: Die Organisation Printed Matter, Inc., New York [USA] wird vom 18. Juli bis 30. September 2002 Schauplatz der Verkaufsausstellung Protect Me From What I Want: the Multiples and Editioned Works of Jenny Holzer sein. Seit Ende der 70er Jahre beschäftigt sich die amerikanische Installationskünstlerin mit der Eindringlichkeit der modernen Werbemedien und macht sie sich für die Distribution ihrer Ideen zunutze. So druckte Jenny Holzer in früheren Arbeiten ihre Binsenweisheiten [»Truisms«] wie »Any surplus is immoral« (»Politik dient Privatinteressen«) auf T-Shirts oder klebte sie als Poster an Häuserwände oder Telefonzellen. Später mischte sie eine Neonleuchtschrift unauffällig unter den Schilderwald der Werbeflächen am New Yorker Times Square. Generell sind die Berücksichtigung des öffentlichen Raums und des ihn bevölkernden Publikums zentrale Aspekte der Arbeit Holzers, die die Aufforderung, die täglichen Werbebotschaften nicht unreflektiert auf sich einwirken zu lassen, medienkritisch juxtapositioniert. In der Ausstellung »Protect me From What I Want« können u.a. Postkarten, Poster, T-Shirts, Mützen, Leuchtreklamen und Ephemera käuflich erworben werden; eine komplette Liste der Artikel ist ab 18. Juli auf der Website von Printed Matter Inc. abrufbar.
[Printed Matter, Inc., New York [USA] | Ausstellungsdauer 18. Juli - 30. September 2002 | Eröffnung 18. Juli 2002, 18 - 20 Uhr]
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digitalBiedermaier :: Die Auseinandersetzung mit der »Re-Produktion des Privaten« im digitalen Zeitalter anhand von Themenkreisen wie etwa Überwachungstechnologien, Video-Voyerismus, Media-Cocooning und intelligenten Wohnräumen steht im Zentrum der diesjährigen Ausgabe des Festivals [d]vision, das - veranstaltet von dem gleichnamigen Wiener Verein für Medientheorie & digitale Kultur - vom 27.11. - 01.12.2002 im WUK, Wien, stattfindet. Für das unter dem Motto »digitalBiedermaier« stehende Festival können derzeit Beiträge für das in diesem Rahmen veranstaltete Symposium eingesandt werden [bis zum 10.09.2002; an: proposals@dvision.at] sowie außerdem künstlerische Arbeiten und Projekte aus den Bereichen Film/Video und Multimedia.
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die documenta XI ... Juni 2002 ad / pd
"Ich war auf der Documenta XI"
sagte Ana Dimke und hatte Traenen in den Augen. Ich habe sie nicht getroestet, den wer auf die Documenta geht, weiss doch eigentlich und mittlerweile, dass Kunst verlangt, sich von dem Elend der Welt ergreifen zu lassen - von Wasser, Slum, Folter und Folklore.
Ich bin dann am Freitag, den 13 ten selbst (mit sieben Kreuzchen im Faltblatt) in die Bindingbrauerei gegangen. Asymtote, Annette Messager, Cerith Wyn Evans, Igor + Svetlana Kopystiansky, Luc Tuymans, Carlos Garaicoa, Fabian Marcaccio und ein Blitzzeichen bei Tanja Bruguera, damit ich die Augen schone. Warum das Brauereigebaeude von innen zum Klischee eines anarchronistischen Museums verbaut wurde, ist mir dabei am wenigsten klar geworden. Doppelt deutlich war: Grossveranstaltungen auf documenta art + weise sind unpassierbar geworden, da hilft nur die Reduktion, als Selbstbeschraenkung, als Kreuzgang.
PS. in bezug auf die sozialen Aspekte der Weltkunstschau in Kassel: um als Behinderter fuer den Documentabesuch mit einer Ermaessigung rechnen zu koennen, spielt die Art der Behinderung eine Rolle: Fussamputation: 60% genuegt nicht - es muessen schon: 70% sein ...
www.documenta.de > Looking
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JE LIS TA PEAU ... Oktober 2001 uh
Jenny Holzer hat sich wieder einen besonderen Ort für ihre leuchtend fliessenden Texte
ausgesucht. Das Hôpital de la Salpêtrière in Paris entstand im Laufe des 17. Jhs. auf dem
Gelände einer Schießpulverfabrik (so kommt der Salpeter ins Spiel), war als religiös geleitete
Besserungsanstalt geplant, diente als Gefängnis und beherbergt noch heute ein Krankenhaus,
dessen Renommee nicht zuletzt auf J.-M. Charcot zurückgeht.
Im Zentrum des Komplexes steht die Chapelle Saint-Louis, dessen Kuppel gewissermaßen
den Fluchtpunkt der Texte Jenny Holzers bildet: Aus der Mitte des Bodens im zentralen
Oktogon der Kapelle entspringt eine quadratische Säule, die zum Okulus der Kuppel in 36 m
Höhe emporführt. In die vier Seiten sind Leuchtdioden eingesetzt, auf denen in
unterschiedlicher Geschwindigkeit die programmierten Texte erscheinen und zwar von unten
nach oben: Die Buchstaben schnellen wie in Fahrstühlen in die Höhe und scheinen noch über
die Öffnung in der Kuppel hinauszuschießen. So bildet die Säule eine Achse, die sich durch
das Gebäude zu bohren scheint und durch die Bewegung der Schrift trotz aller Betonung der
architektonischen Symmetrie die steinerne Perfektion zerbrechlich erscheinen läßt.
Am religiösen Versammlungsort für die Kranken zur Zeit also künstlerische Attraktion für
das Publikum des Festivals d'Automne, das sich seit 30 Jahren in Paris der Avantgarde
verschrieben hat. Zu "lesen" sind in dieser JE LIS TA PEAU (I READ YOUR SKIN)
betitelten Ausstellung verschiedene Texte aus Jenny Holzers Produktion, auf englisch und
französisch. Die Lesenden werden auf eine harte Probe gestellt; zu schnell schießen die
Buchstaben nacheinander aus dem Boden, und dort wo das Auge sie leichter zu Wörtern
zusammenfügen kann, entschwinden sie bald schon wieder in der Höhe. So bleiben trotz und
bei allem (Über-)Fluß nur Bruchstücke haften: "I have a hot hole put in me I can live with it
people made it and they use it to reach me". Die Texte selbst entziehen sich, sind nicht
eindeutig, zerfallen in Sinn-Partikel und wieder in Buchstaben, nachdem sie uns einmal
durchquert und ein geistig-emotionales Schwindelgefühl hinterlassen haben.
Dabei hätten wir doch in diesen Zeiten gerade feste Werte so gern und nötig, einen Mast, an
den wir uns halten könnten, klare Parolen. Gibt's nicht - nicht hier, ist eben Kunst. Auf diese
müssen die Schaulustigen im übrigen teilweise verzichten, eben wegen der Politik: Das
französische Anti-Terrorismus-Programm "Vigipirate" (heißt wohl so, weil das Staats-Schiff
nicht gekapert werden soll und aufgepaßt werden muß) sieht vor, daß größere
Menschenansammlungen zu vermeiden sind, wo ein verstärktes Polizeiaufgebot keine
Sicherheit gewähren kann. Das wäre aber bei den ursprünglich geplanten Leucht-
Projektionen, die Jenny Holzer für berühmte Pariser Fassaden konzipiert hat, laut Beschluß
der Fall gewesen: Hunderte von Menschen des nachts vor Notre-Dame, auf dem Pont-Neuf,
an der Pyramide des Louvre - alle wie gebannt auf ephemere Lichtertexte starrend - zu
gefährlich! Wenn nun das Spiel mit den Oberflächen gesprengt würde und sich keine Haut
retten könnte! So wurden diese Freiluftveranstaltungen (die Säule im Krankenhaus durfte
bleiben) kurzerhand auf das Festival im nächsten Herbst verschoben - dann ist ja alles wieder
gut.
www.festival-autonme.com > Paris > Chapelle Saint-Louis >
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Freunde des Verbrechens ... September 2001 pz
In Hamburg hat sich der Komponist K.H. Stockhausen in einer Pressekonferenz geäußert. Er war offensichtlich als Künstler gefragt. Und es ist nachvollziehbar, daß bei einer solchen Gelegenheit, wenn auch noch gerade das Reale als etwas Zerstörerisches eingebrochen ist, etwas, das das Vorstellungsvermögen übersteigt und das uns zum Stammeln bringt, der Künstler befragt wird, ob er nicht auch mit seinen Figuren, mit Michael, Eva und Luzifer historische Personen gemeint habe.
Offensichtlich ist die Symbolisierungsfähigkeit an Grenzen gelangt und das nicht nur als ein individuelles Versagen, das eventuell psychiatrisch behandelbar und besprechbar wäre, sondern bei vielen, die man nun als Fundamentalisten bezeichnet. Das sind die, die Grund haben und ihn nicht mehr suchen können.
Auch Stockhausen war überfordert, eine zeitlang. Er tat von der Struktur her nichts anderes als die anderen eigentlich Sprachlosen angesichts der Terroranschläge auf das World-Trade-Center und das Pentagon. Er bewegte sich in Richtung des ihm Vertrauten, zur Kunst, um erst einmal wieder die Wahrnehmung und das Denken zu justieren. Er bemerkte es schon als er anfing zu sprechen: "Sie müssen jetzt ihr Gehirn umschalten". Darin war er schon vielen anderen voraus, die z.B. in solchen Situationen bruchlos zu Cowboys regredieren, zu professionell Trauernden, zu unbedingt Solidarischen usw. Die versammelten Feuilletonisten hatten die Gelegenheit einen Denk- und Sprechprozeß zu erleben, wie er jetzt erfordert ist, einen hoch gefährlichen. Wie anders kann man den Versuchungen widerstehen, die uns der Terror als Zerstörung unseres differenzierten Denkens und Wahrnehmens aufzwingen will. Was anders kann Zivilisation heißen? Die Schäden im Symbolischen und Imaginären sind neben der Ermordung der Menschen in den Türmen und im Pentagon doch die verheerenden Folgen, oder in der Sprache von Natosprechern, die Collateralschäden (Der ist übrigens nicht nach Hause geschickt worden). Terrorismus ist eine Herausforderung an höheres Differenzierungsvermögen und die Kraft, diese in Handlung umzusetzen. Genau das mahnen die Terrorristen an. Das, was vorher gefehlt hat; was von uns und unseren Regierungen verfehlt worden ist. Es sind Relationen zerrissen. Die Terroristen machen sich und andere zum Geschoß, zum Wurf (ohne Ob- und Sub-, einfach zum -jekt, oder griechisch zum Bolos ohne Sym-). Wir leben doch so, wie wir leben, nicht unabhängig von der gleichzeitigen Produktion von Fundamentalismus, nicht zuletzt von dem christlich pervertierten Fundamentalismus der USA ("Gott segne Amerika"). Es gibt den Terror zumindest in unseren Phantasien, sonst gäbe es bestimmte Hollywoodproduktionen nicht und es müßte auch von Schwarzenegger jetzt keine Filmproduktion storniert werden. Die Filme werden weder von Bin Laden bezahlt, noch lädt er zum Kinobesuch ein, zumindest wissen wir davon noch nichts.
Mut hätte darin bestanden, Stockhausen aufzuführen, aufführen zu lassen und vielleicht vorzuführen. Und mit ihm und miteinander über den Drahtseilakt seines Denkens und Sprechens zu reden, ihn beim Wort zu nehmen und ihm nicht den Gefallen zu tun, davon keinen Gebrauch zu machen. Dann käme man vielleicht auf neue Differenzen, man käme vielleicht darauf, daß Stockhausen ein antiquiertes Künstlerbild formuliert.
Wenn aber auf eine solche Äußerung hin viele Unterscheidungen einfach gestrichen werden, z.B. die zwischen Künstler, Werk und Sprechen darüber, ferner der Unterschied zwischen einer Pressekonferenz zur Vorstellung eines Musikfestes und der alltäglichen Politik, wenn die Aufführungen von Stockhausen, auch noch mit offensichtlich entstellten Meldungen - von den Hauptsponsoren als Bitte vorgetragen - von der Stadt gehorsam abgesagt werden, dann ist das eine verpaßte Chance, dann ist das Mißbrauch.
Und es geht um einen weiteren Widerspruch, der als Scheinheiligkeit daherkommt: Verlangt man nicht vom Künstler hochgradige, spezialisierte Wahrnehmungsfähigkeit für das kaum und noch nicht Denkbare, noch nicht Darstellbare? Fordert man nicht Authentizität? Und wenn das dann passiert, also beim Passieren, in der Passage erlebt wird, dann soll es aber auch gleich ganz korrekt sein, sauber, ohne Ballaststoffe.
In der Authentizität liegt der amoralische (Be-)Zug (zum Unbewußten) in der Kunst (und auch in der Psychoanalyse). Authentisch nennt man die immer wieder vorkommende Unbeeindruckbarkeit von Verwertungsinteressen ("Autonomie") und Rücksichtslosigkeit, bzw. Unversichertheit in der Kunst. Das ist natürlich eine produktive Fiktion. Der erste Wortbestandteil von authentisch leitet sich von autos (selbst) ab. Der zweite Wortbestandteil ist nicht so leicht zu dechiffrieren. Nach Auskunft der Wörterbücher steckt in ihm dieselbe Wurzel wie "Sin", was ja bekanntlich Sünde bedeutet, in der älteren Bedeutung "schädlich", "sträflich" heißt.
Der Authentes handelt nach eigenen Gesetzen?
"Zeugenschaft" wäre ein Modell, das in verschiedenen Formen eine Stellungnahme zum Stand der Beziehung zu bisher so nicht Aufgetauchtem, nicht Formuliertem oder Formulierbarem, Ungewußten und Unbewußtem bei einem Subjekt erlauben würde, das sich mit dem Wunsch, sich künstlerischer Artikulation zu nähern, auseinandersetzt. Der Zeuge ist dabei, wie ein Subjekt wieder oder erst zum Subjekt wird, gerade bei diesen Ereignissen, die uns nicht zuletzt durch die dauernden Wiederholungen des Crash in die beiden Türme und dann der beiden Türme zwangsläufig auf mehrfache Weise zu Objekten machten. Ein Subjekt kann das nicht ertragen. Die drinnen waren und einige, die von draußen halfen, sind schon tot.
Der Zusammenbruch verlangt nach anderen Darstellungsweisen und die gelingen nicht im ersten Schritt in Reinschrift. Anders gesagt: Es geht in Feld der Kunst um die Darstellung (mit 'Rücksicht auf Darstellbarkeit'schrieb Freud über die Entstellung bei der Erzählung des Traumes) des je Besonderen. Es geht um die Wahrnehmung und Darstellung der Situation selbst, welche die "Zeugenschaft" aufführt - als Darstellung des Zeugnisses und ebenso als Wahrnehmung durch die anderen.
Die Katastrophe von New York und Washington wurde mit dem Reden von Stockhausen (ob nun kalkuliert oder nicht) der Möglichkeit nach in menschliche, d.h. sprechbare Dimensionen geholt. Eine Katastrophe in kleinem Format. In der Produktion und Rezeption von Kunst wird so etwas wie ein dosierter "künstlicher" Wahn hergestellt. Dieses kleine Format des Wahns könnte man auch als Unsinn bezeichnen. Es treten für kürzere oder längere Momente die drei Register des Realen, Symbolischen und Imaginären auseinander und fallen, wie in der Psychose aufeinander. Kein Sinn hält sie mehr zusammen und auseinander. Von der Seite der Produktion ist das eine Reaktion auf festgefahrenen Sinn als Destruktion erstarrter, fesselnder Symptome. Aus dieser Leere heraus wird versucht, in der Tat auf Reales Bezug zu nehmen. Insofern hat Ligeti recht, wenn er vorschlägt, Stockhausen in die Psychiatrie einzusperren ("Wenn er diesen niederträchtigen Massenmord als Kunstwerk auffaßt, muß ich leider sagen, gehört er in eine psychiatrische Klinik gesperrt." spiegel online 19.09.01). Auch ein Kurzschluß.
Die üblichen Verfahren der Beurteilung, wie jetzt in Hamburg, des Gesagten, des Dargestellten und des Ausgesagten folgt dem Muster der Anpassung ans Bekannte und Vertraute, ans schon vorher Geurteilte.
Ohne ein solches Angebot zur "Zeugenschaft" (oder ein vergleichbares Verfahren) steht eine Institution, eine Stadt, eine Musikhalle leicht in der Gefahr, nichts anderes als eine Abwehr - Widerstand wäre ja nicht schlimm - zu verkörpern: Laßt uns mit all dem in Ruhe, wir wissen schon, wie man sich jetzt anständig verhält gegenüber den Opfern und ihrem Volk (oder Staat?). Gerade Veranstaltungen im Feld der Kunst könnten sich, wenn denn ihre fiktive Autonomie gewahrt wird, der Ermöglichung von Diskontinuität nähern. Damit stünde man gegen eine Vetternwirtschaft (bedingungslose Unterstützung), die nichts anderes kennt als familiale, ja inzestuöse Bindungen ohne Diskontinuität. "Inzestuös" hier im übertragenen Sinne des "zu Hause bei uns ist alles möglich, wenn wir alle zusammenhalten!".
Genau darin liegt aber die Chance, der Zweck einer Institution der Bildung, nämlich Unterbrechungen und Übergänge so zu ermöglichen, daß Individuen nicht zugrunde gehen.
Nehmen wir den schlechtesten Fall: Stockhausen wäre seiner Geltungssucht erlegen. Er hätte ganz kalkuliert eine Provokation formuliert und dann darum gebeten, davon keinen Gebrauch zu machen - was ja unmöglich ist (siehe Freuds kleine Schrift "Über die Verneinung"). Selbst dann, gerade dann wäre es an der Zeit genau darüber weiter öffentlich im Feld der Kunst, hier der Musik, mit ihm darüber zu sprechen, und wenn es nur darum ginge, miteinander zu reden, um der inneren und äußeren Zensur zu entgehen. Und wenn die "Ereignisse" in den USA dafür herhalten müssen, auch noch Gysi endgültig als Gastredner der Staatsoper am 3. Oktober auszuladen - " ... wegen der politischen Entwicklung nach den Terroranschlägen in New York und Washington. Vor diesem Hintergrund sei es angebracht, das Konzert ‚ganz der Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie mit dem hochaktuellen Schiller-Text durch das Philharmonische Staatsorchester zu überlassen'" (taz-hamburg vom 18.9.01) - , dann kann einem bange werden.
Prof. Dr. Karl-Josef Pazzini
/ Psychoanalytiker /
Universität Hamburg - Fachbereich Erziehungswissenschaft - Bildende Kunst
Quellen:
taz vom 19.09.01
Daraus: "Was da geschehen ist, ist - jetzt müssen Sie alle Ihr Gehirn umstellen - das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat. Dass Geister in einem Akt etwas vollbringen, was wir in der Musik nicht träumen könnten, dass Leute zehn Jahre üben wie verrückt, total fanatisch für ein Konzert und dann sterben. Das ist das größte Kunstwerk, das es überhaupt gibt für den ganzen Kosmos. Stellen Sie sich das doch vor, was da passiert ist. Da sind also Leute, die sind so konzentriert auf eine Aufführung, und dann werden 5.000 Leute in die Auferstehung gejagt, in einem Moment. Das könnte ich nicht. Dagegen sind wir gar nichts, als Komponisten.
Gegenwärtig unverständlich
und die Pressemeldung der Behörde:
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Video ich sehe ... August 2001 ad
Gut gebruellt: Der Koenig der Tiere zeigt in einer DVD-Schleife zur Begruessung die Szene. Das Markenzeichen Hollywoods macht Ansprueche deutlich denen auch die kuerzeren Filme der Video-Kuenstler ausgesetzt sind. Unterhaltend oder wenigstens provokant sollen sie sein, so, wie der Untertitel zu "Looking at you" es verspricht.
Ayse Erkmen begegnet dieser Erwartungshaltung mit einer Installation: Fuenf Monitore im zentralen Halbrund des Fridericianums. Huepfend schweben gruene, computeranimierte 3D-Skulpturen auf den Betrachter zu. Zu hoeren sind menschliche Geraeusche wie Atmen - zu sehen sind lustige Modelle von Landminen.
Asta Groeting ermoeglicht dem Betrachter einen "goettlichen" Fensterblick auf Parkbuchten. Ein Cabrio, ein schwarzer Mercedes, ein silberner Combi und ein kleines gruenes Auto kaempfen ums Einparken. Eine Modellwelt auf die die Beobachterin mulmig-engagierte Gefuehle aus erinnerten peinlich-belustigenden Verkehrssituationen uebertraegt. Sie ertappt sich bei Vergleichen zur Tierwelt und nimmt sich vor das naechste Mal einfach drauf zu halten, - denn nur der Starrsinnigere, Unnachgiebigere, Beharrlichere, bekommt einen Platz. Der kleine Gruene darf gedanklich weiter kreisen.
"Du hast kein Herz" behauptete Rotraut Pape vor einem Jahrzehnt. "Looking at you" fuehrt keinen Schritt weiter, sondern mutet groesstenteils wie eine historische Ausstellung zur Videokunst an. Die digitalen Moeglichkeiten scheinen hier lediglich mit der technischen Politur des Analogen beauftragt zu sein.
www.fridericianum-kassel.de > Looking at you >
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Kunst am Boden ... August 2001 ad
Das rostige Pompoes eines Industriedenkmals in Goettingen haelt Kunstwerke am Boden.
Aufrecht und uneingeschraenkt: Riesige Eisenhaken, gelockerte Kabellage, Patina grosser Stahltraeger kombiniert mit einem unendlich hoch erscheinenden Vorhang, grau abgetoenten Waenden und einem mit duftigen Brauntoenen kolorierten Toilettenraumkubus.
Zweidimensional verhaelt sich die Kunst: als Skulptur als Feld. Der angedeutete grosse Regenbogen ueber Physik, Philosophie und Agrikultur hin zur Kunst wirkt etwas ueberspannt, denn der kuenstlertheoretische Begriff "field" als raeumliche Orientierungshilfe scheint flacher gehalten zu sein.
Zurueck zum Eingang: Haelt der Betrachter seinen Blick am Boden, scannt er ein topologisches Op-Experiment mit roten Wellenlinien ab. Heike Webers Handarbeit mit einem rotem Edding: Linie um Linie. Muehe und Geduld in der Ausfuehrung scheinen auf. Von den barock-gaertnerischen Schuettungen (Mariella Mosler und Kate Whiteford) bis hin zu der pingeligen Patronenhuellsenaufstellung (Raffael Rheinsberg). Beeindruckend ist zwar der Aufwand, bei der Darstellung der skulpturalen Reduktion auf die zweite Dimension,
aber: Carl Andre ist immer noch der Beste.
Was nicht heisst, dass der ehemalige Schienenarbeiter und Rangierer, der seine Kunst materialbewusst im sozialen Kontext plaziert, unbedingt eine Lokhalle braucht.
www.skulptur-als-feld.de > Goettingen > Lokhalle >
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Bilder im Netz ... August 2001 ad
Vier grosse Farbpunkte vor grauem, kleingepunkteten Hintergrund kuendigen auf der Einladungskarte des Apex (Goettingen) eine Gruppenausstellung von vier Frauen an. Nach Punktum und Studium ist aus medialer Sicht die Installation von Christel Irmscher zu besprechen.
Ihr Platz in der Sommerausstellung ist der Durchgangsraum, ohne Galeriecharakter ein riesiges Gewaechs beherbergend. Wie zu hohe Fruechte haengen selbstgehaekelte Netze im Geaest, gefuellt mit gerahmten Bildchen. Auch mal ein kuenstliches Blatt - gruen mit grueneren Punkten.
Zur Handhabung dieser Arbeit ist ein Computer installiert. Ein digitales OEuvre kann aufgerufen werden. Der Galeriebesucher und Kunstkaeufer kann seine Auswahl per mouseclick treffen und bei der Kuenstlerin eine Bestellung aufgeben.
Die Geschichte, der strapazierten Metapher des Netzes, reicht vom Fischen ueber den Haekel-Gespraechs-Kreis bis zum kommunikativen Datenaustausch des Internets. Die KunstverkaufsAktion kann als ironischer Kommentar zum Umgang mit Kunstwerken gelesen werden: Entgegen der globalen Feindlichen Uebernahme der Bildrechte, will der Kunstliebhaber im Kleinen weiterhin die Bilder haptisch in Besitz nehmen.
Auf den Punkt gebracht, muesste daher diese spielerische Netzkritik auch im Medium Internet selbst stattfinden. Nicht nur um tatsaechlich zu testen, wie der Handel und Wandel als Kunst ueber Kunst im WorldWideWeb umzusetzen ist, sondern auch, um zu beobachten, ob eine derartige Konzeption ihre Leichtigkeit behaelt.
www.goecity.de > GöEvents > Ausstellungen >
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copyright: bei den Autoren + Redaktion Scrollheim: Ana Dimke (ad), Ulrike Haussen (uh), Karl-Josef Pazzini (pz), Peter Dimke (pd)
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protect me from what I want New York [USA] / zkm
digitalBiedermaier WUK / Wien / zkm
drei Stunden geheult Kassel / Documenta XI / ad / pd
Freunde des Verbrechens Hamburg / K.H. Stockhausen / pz
Video ich sehe Kassel / Fridericianum / ad
Kunst am Boden Goettingen / Lokhalle / ad
Bilder im Netz Goettingen / Apex / ad
auf sieben Jahre Internet-Kunst ?
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... ueberNahme postMedia ................................... ................
[Festival :: 27.11. - 01.12.2002 :: WUK [Werkstätten und Kulturhaus], Wien [A] | Einreicheschluß für Symposiums-Beiträge : 10.09.2002]
drei Stunden geheult
Wenn Kunst unter die Haut geht
Sind Künstler Freunde des Verbrechens?
Wurden die Feuilletonisten Zeugen eines solchen Verbrechens?
kunst.erzwiss.uni-hamburg.de
Hamburg, den 18. September 2001
Was einem Künstler, der sich maßlos überschätzt, zum Terrorangriff auf New York einfällt
taz - hamburg 19.09.01
Als Karl-Heinz Stockhausen der Verführung Luzifers erlag
www.taz.de/pt/2001/09/19/a0115.nf/text
. . . Stellen Sie sich vor, ich könnte jetzt ein Kunstwerk schaffen und Sie wären alle nicht nur erstaunt, sondern Sie würden auf der Stelle umfallen, Sie wären tot und würden wiedergeboren, weil es einfach zu wahnsinnig ist. Manche Künstler versuchen doch auch über die Grenze des überhaupt Denkbaren und Möglichen zu gehen, damit wir wach werden, damit wir uns für eine andere Welt öffnen."
taz 19.09.01
Keine De-Eskalation
Warum auch bei Stockhausens verbaler Entgleisung Differenzierung nötig ist
24 Zeilen, Petra Schellen
www.taz.de/pt/2001/09/19/a0227.nf/text
und
Eklat beim Musikfest: Stockhausen-Konzerte nach umstrittenen Äußerungen abgesagt
von Alexander Diehl
www.taz.de/pt/2001/09/19/a0218.nf/text
www.hamburg.de/fhh/behoerden/kulturbehoerde/aktuelles.htm